Niederlande:Nächte der Angst

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Ein brennendes Fahrzeug in Rotterdam. (Foto: Marco de Swart/AFP)

Schwere Krawalle erschüttern seit Samstag mehrere Städte. Ein Minister erklärt, man werde nicht "vor ein paar Idioten kapitulieren". Hinter der Gewalt steckt mehr als nur Ärger über die Corona-Maßnahmen.

Von Thomas Kirchner, München

Die dritte Nacht in Folge sind die Niederlande am Montag von schweren Ausschreitungen erschüttert worden. In Amsterdam, Haarlem, Rotterdam und anderen Städten kam es abermals zu schweren Krawallen. Hunderte gewaltbereite Menschen, überwiegend Jugendliche, randalierten stundenlang, griffen die Polizei mit Feuerwerkskörpern und Steinen an, schlugen Scheiben ein, plünderten Geschäfte und legten Brände. Laut Polizei wurden 184 Menschen festgenommen, zehn Beamte verletzt. Begonnen hatten die Krawalle am Samstag, als zum ersten Mal die Ausgangssperre in Kraft trat, die die Regierung als bisher schärfste Maßnahme gegen die Verbreitung des Coronavirus erlassen hat.

Neben Rotterdam war 's-Hertogenbosch im Süden des Landes ein Zentrum der Unruhen. Dort versuchten Randalierer auch, das Krankenhaus anzugreifen. "Das war beängstigend für die Mitarbeiter", sagte Krankenhausdirektor Piet-Hein Buiting dem regionalen Radio. In der kleinen Stadt Urk war am Samstag auch ein Testzentrum angegriffen worden.

Politiker und lokale Verantwortliche zeigten sich schockiert. Justizminister Ferd Grapperhaus erklärte, dass Gewalttäter schnell bestraft werden sollten. "Hiermit kommen sie nicht einfach so davon." An der Ausgangssperre werde die Regierung vorerst festhalten. Man werde nicht "vor ein paar Idioten kapitulieren", sagte Finanzminister Wopke Hoekstra.

Nach Ansicht von Beobachtern steckt hinter der Randale mehr als nur Ärger über die Corona-Maßnahmen. "Das, was wir jetzt sehen, hat überhaupt nichts mehr mit der Sperrstunde zu tun", sagte Hubert Bruls, der Vorsitzende des Rates für Sicherheit der Regionen. "Diese Leute haben bewusst nur darauf gewartet zu randalieren." Der Bürgermeister von Rotterdam, Ahmed Aboutaleb, sprach gar von "schamlosen Dieben". Die Polizeigewerkschaft erklärte, es sei schwierig, echte Demonstranten von reinen Krawallmachern zu unterscheiden.

Politiker rechter Parteien sollen Gewalt angefacht haben

Die Politologin Jelle van Buuren bezeichnete die Gewalttäter in der Zeitung Volkskrant als "eklektische, diffuse Gesellschaft", die sich mit den üblichen politischen Maßstäben kaum einordnen lasse. Sie spricht von Fußball-Fans, Rechtsradikalen, Anhängern von Verschwörungsideen wie QAnon und Corona-Leugner-Bewegungen wie Viruswaanzin, Wutbürgern und perspektivlosen Jugendlichen, deren Zorn durch die Ausgangssperre zum Überlaufen gebracht worden sei.

Kritisiert wird, dass Politiker rechter Parteien die Proteste zum Teil angefacht hätten. In einem typischen Tweet beklagte das Forum für Demokratie von Thierry Baudet, dass Ministerpräsident Mark Rutte "die Nieder­lan­de einge­schlos­sen hat. Immer mehr Menschen wenden sich gegen die Ausgangs­sper­re. Nur gemein­sam können wir unsere Frei­heit zurück­ge­win­nen". Geert Wilders' Partei für die Freiheit hatte in Urk vergangene Woche erklärt, sie werde "alles in ihrer Macht Stehen­de tun, um die Umset­zung der Ausgangs­sper­re zu verhin­dern". Beide Parteien haben sich inzwischen von der Gewalt distanziert.

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