Neue Chance für NPD-Verbot nach Neonazi-Verhaftung:"Das Verbotsverfahren kommt"

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Nach der Verhaftung eines ehemaligen NPD-Funktionärs sehen nahezu alle Parteien Chancen für ein neues Verfahren zum Verbot der rechtsextremen Partei. CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach, bislang eher skeptisch, äußerte sich gegenüber der SZ zustimmend: Der Staat könne sich einen Verzicht darauf kaum leisten. Auch der frühere Verfassungsrichter Winfried Hassemer, der 2003 an der Einstellung des ersten Verbotsverfahrens in Karlsruhe beteiligt war, sagte der SZ, die Sachlage habe sich nun verändert.

Susanne Höll, Peter Blechschmidt und Heribert Prantl

Nach der Verhaftung des ehemaligen NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben steigen die Chancen für ein neues Verfahren zum Verbot der rechtsextremen Partei. Vertreter nahezu aller Parteien äußerten sich am Mittwoch zustimmend. Auch der frühere Verfassungsrichter Winfried Hassemer, der dem Zweiten Senat des Gerichts vorsaß, als dieser 2003 das damalige NPD-Verbotsverfahren einstellte, sagte der Süddeutschen Zeitung, die Sachlage habe sich verändert. Umstritten ist dagegen zwischen den Fraktionen des Bundestags das weitere Verfahren zur Aufklärung der Mordserie der Zwickauer Neonazi-Zelle.

Demonstration gegen einen Naziaufmarsch in Hamburg: Politiker nahezu aller Parteien rechnen nun fest mit einem neuen Verfahren zum Verbot der NPD. (Foto: ddp)

Der am Dienstag als mutmaßlicher Helfer des Zwickauer Trios in Untersuchungshaft genommene Wohlleben war zeitweilig Vize-Vorsitzender der NPD in Thüringen. Nach Ansicht von Berliner Politikern ist damit die Verbindung der Partei zu gewaltbereiten Gruppen hinreichend belegt, um einen neuen Verbotsantrag zu begründen. SPD, Grüne und Linke forderten, dieses Verfahren so schnell wie möglich einzuleiten.

Auch in der schwarz-gelben Koalition sowie in bislang skeptischen Bundesländern wird mit einem neuen Verbotsverfahren gerechnet. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), der einen neuen Anlauf bislang mangels Erfolgsaussichten abgelehnt hatte, sagte der SZ: "Das Verfahren kommt." Nach der Diskussion der vergangenen Tage könne sich der Staat einen Verzicht kaum noch leisten.

Der bisher ebenfalls skeptische Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte: "Wenn es sich herausstellen sollte, dass die NPD Kontakte zu dieser Zelle hatte, dann wird das natürlich ein wichtiges Argument sein, eines der Argumente, mit denen man auch im Verbotsverfahren der NPD dann eventuell argumentieren könnte." Für eine sorgfältige Prüfung der Verbotsfrage sprach sich der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, aus. Die FDP will sich einem Verbotsverfahren nicht verschließen, wenn es gute Erfolgsaussichten gibt.

Bewegung gibt es auch in den bisher zurückhaltenden unionsregierten Bundesländern. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann sagte, wenn sich bei den Ermittlungen tatsächlich neue und gesicherte Erkenntnisse über eine Verbindung der NPD zum Rechtsterrorismus ergäben, könne man ein neues Verfahren erwägen. Den Abzug aller V-Leute aus der NPD lehnt Schünemann, so wie die meisten Landesinnenminister, aber ab. "Das wäre unverantwortlich", sagte er.

Parteien streiten über Aufiklärung der Mordserie

Zugleich bekannte Ex-Verfassungsrichter Hassemer, "unser Beschluss wird überinterpretiert, wenn man sagt, alle V-Leute müssten raus." Dies sei insbesondere der Fall, da rechtsextreme "Hauptfiguren jahrelang unter dem Deckmantel" der NPD gelebt hätten.

Derweil streiten die Parteien darüber, wie der Bundestag seine Arbeit zur Aufklärung der Mordserie und der damit verbundenen Ermittlungspannen fortsetzen soll. Während die Union zunächst in den normalen Parlamentsgremien weiterarbeiten will, schlägt die SPD eine Bund-Länder-Kommission vor, der alle beteiligten Behörden ihre Erkenntnisse offenlegen sollen.

Grüne und Linke fordern einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, den auch die FDP nicht ausschließt. Die FDP fordert zudem, dass das Parlamentsgremium für die Kontrolle der Geheimdienste einen Sonderermittler einsetzt.

© SZ vom 01.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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