Neonazis vor Gericht:Mit Totenkopf und blutigen Hackmessern

Lesezeit: 2 min

Das Logo der rechten Gruppierung auf Facebook. (Foto: dpa)
  • Wahrscheinliches Ziel des Anschlags soll ein bewohntes Flüchtlingsheim im sächsischen Borna gewesen sein.
  • Die Bundesanwaltschaft hat vier Mitglieder der Neonazi-Gruppe "Oldschool Society" angeklagt, eine terroristische Vereinigung gebildet und ein Explosionsverbrechen vorbereitet zu haben.

Von Jan Bielicki, München

Es hätte Tote geben können und auf fürchterliche Art Verletzte. Ein Sprengsatz, womöglich zusammengebastelt aus Feuerwerkskörpern und Nägeln, sollte nach Erkenntnissen der Ermittler explodieren - wahrscheinliches Ziel des Anschlags: ein bewohntes Flüchtlingsheim im sächsischen Borna.

Wohl nur wenige Tage, bevor es dazu kommen sollte, griffen die Sicherheitsbehörden zu. 250 Beamte, darunter Kräfte der Anti-Terror-Einheit GSG 9, durchsuchten am 6. Mai vergangenen Jahres Wohnungen in mehreren Bundesländern. Drei Männer und eine Frau sitzen seither in Untersuchungshaft.

Von diesem Mittwoch an müssen sich die Vier - selbst ernanntes Führungspersonal einer Neonazi-Gruppe, die sich "Oldschool Society", kurz OSS, nannte - vor dem Oberlandesgericht München verantworten. Die Bundesanwaltschaft hat sie angeklagt, eine terroristische Vereinigung gebildet und ein Explosionsverbrechen vorbereitet zu haben.

Damit findet wieder ein Terror-Verfahren gegen Rechtsextremisten statt - vor dem gleichen Gericht, allerdings einem anderen Strafsenat, das sich seit drei Jahren mit den Morden des rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) beschäftigt.

3011 Menschen gefiel die Oldschool Society auf Facebook

Während der NSU während seiner Mordserie im Geheimen blieb, suchte die OSS-Truppe um ihren "Präsidenten" Andreas H., 57, dessen "Vizepräsident" und "Sicherheitsverantwortlichen" Markus W., 40, dem "Pressesprecher" Olaf O., 48, und W.s Freundin Denise Vanessa G., 23, die Öffentlichkeit. Die Gruppe, die zunächst in sozialen Netzwerken des Internets zusammenfand, hatte einen Facebook-Auftritt mit zuletzt 3011 "Gefällt-mir"-Klicks, eine Kontakt-Handynummer, sogar ein Werbevideo auf Youtube, dazu einen Totenkopf mit blutigen Hackmessern als Logo und ein Motto: "Eine Kugel reicht nicht".

Es gab Gruppenfotos der etwa ein Dutzend Mitglieder samt Schäferhund. Andreas H. selbst posierte gerne mit Pistole, Sturmgewehr oder Munitionsgurt. Die drei Männer, alle aus Nordrhein-Westfalen stammend, bewegten sich seit Jahren in der Neonazi-Szene. Markus W. etwa war vor seinem Umzug nach Sachsen Kandidat der rechtsextremen NPD bei Kommunalwahlen im rheinischen Düren und Mitglied der 2012 verbotenen Kameradschaft Aachener Land.

Bei bloßer Hetze im Internet blieb es jedoch laut Anklage nicht. In einer geschlossenen Chatgruppe mit der Bezeichnung "OSS Geheimrat" und in Telefongesprächen radikalisierten sich die Angeklagten demnach rasch. Der Verfassungsschutz las und hörte mit, wie sie den bewaffneten Kampf gegen Salafisten und ein gewaltsames Vorgehen gegen Flüchtlinge erörtert haben sollen - und die Herstellung von Brand- und Nagelbomben.

Anfang Mai sollen W. und seine Freundin G. in Tschechien große Mengen sogenannter Polenböller gekauft haben, hierzulande nicht zugelassene Feuerwerkskörper mit gefährlicher Sprengkraft. Danach wollte sich die Gruppe den Vorwürfen zufolge in Borna treffen und "Aktionen" starten: "Fenster eingeschmissen und dann das Ding hinterhergejagt". Die Polizei schritt vorher ein.

Der Prozess soll bis Anfang Oktober dauern - und wird wohl nicht das einzige Terrorverfahren gegen Rechtsextremisten bleiben. Erst in der vergangenen Woche hat die Bundesanwaltschaft in Sachsen fünf Männer festnehmen lassen. Ihnen wird vorgeworfen, gemeinsam mit drei bereits zuvor in Haft genommenen Neonazis eine terroristische Vereinigung namens "Gruppe Freital" gegründet zu haben. Sie soll für drei Sprengstoffanschläge auf Asylunterkünfte in Freital und ein linkes Wohnprojekt in Dresden verantwortlich sein.

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ausstellung über Rechtsextremismus
:Wie in Beate Zschäpes Jugendzimmer

"Wir sind das Volk" über der Ledercouch: Henrike Naumann lässt in einer Ausstellung die Ästhetik einer post-sozialistischen Kindheit aufleben - und fragt, was das mit heute zu tun hat.

Von Hannah Beitzer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: