Nato berät über Afghanistan:Harmonie am Hindukusch

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Die Nato hat erkannt, dass ein wirklicher und dauerhafter Frieden in Afghanistan nicht in ihrer Macht liegt. Mit dieser Feststellung macht sich unter den Bündnispartnern Entspannung breit. Bis 2014 soll die Mission abgewickelt werden.

Stefan Kornelius

Politik paradox: Wenn am Freitag und Samstag die Staats- und Regierungschefs der 28 Nato-Mitglieder konferieren, dann werden sie die wenigsten Schwierigkeiten mit jenem Problem haben, das in der Öffentlichkeit als besonders drängend empfunden wird.

Trügerische Stimmung: An einen wirklichen und dauerhaften Frieden in Afghanistan glaubt in der Nato niemand mehr. (Foto: Reuters)

Afghanistan, wo 140.000 Soldaten vor allem aus Nato-Staaten stationiert sind, wird auf dem Gipfeltreffen eine nachgeordnete Rolle spielen. Die Stimmung ist relativ entspannt - ganz anders als etwa auf dem Gipfel in Bukarest vor anderthalb Jahren, als der damalige Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer den Einsatz am Hindukusch zur Schicksalsfrage für das Bündnis erklärt hatte.

Entspannung macht sich breit

Auch wenn kein Staatschef die Erkenntnis offen anspricht: Die Nato hat sich damit abgefunden, dass ihre Möglichkeiten in Afghanistan begrenzt sind, dass es jetzt vor allem um den organisierten Abzug geht. Und seitdem die US-Regierung das Jahr 2014 als Termin für ein mögliches Ende des Abzugs der Kampftruppen in Aussicht gestellt hat, macht sich gar so etwas wie Entspannung breit.

Die Soldaten sollen bis dahin so viel Stabilität wie möglich schaffen, denn wirklichen und dauerhaften Frieden erwartet kaum jemand, wenn die Afghanen wieder die Verantwortung für ihr Land übernehmen werden. Bis 2014 jedenfalls soll die Kampf-Mission abgewickelt werden.

Außenminister Guido Westerwelle hat es in der Bundesregierung übernommen, den Termin 2014 bei jeder Gelegenheit zu nennen. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist da zurückhaltender, vielleicht weil er weiß, dass die Soldaten die Zahlenspielerei nicht schätzen. Sie gibt den Taliban einen taktischen Vorteil, nimmt den Druck und wirft Probleme bei der Motivation der Soldaten auf.

Ähnliche Konflikte sind in der amerikanischen Regierung zu beobachten. Während Obama den obersten Terminhüter des Bündnisses gibt, grollt der Isaf-Kommandeur David Petraeus in Kabul.

2012 kehren auch die deutschen Soldaten heim

Zwei Dokumente wird die Nato am Wochenende zu Afghanistan verabschieden. Das erste ist an die Öffentlichkeit adressiert und soll den Afghanen klar machen, dass man sich auch nach 2014 verantwortlich fühle und sehr wohl weiter ausbilden und im Land präsent sein werde, wenn auch weniger mit Kampftruppen. Das zweite zielt auf das Militär und macht Aussagen zur Ausbildung und Partnerschaft mit den afghanischen Streitkräften.

Abschied nimmt die Nato von der Idee, eine eigene Kompetenz für die zivile Hilfe in Konfliktgebieten aufzubauen.

Insgesamt geht es dem Bündnis um Beruhigung - die Aufregung soll weichen. 2011 wird ausdrücklich nicht als Schlüsseljahr bezeichnet, selbst wenn die Afghanen bereits in wenigen Monaten bestimmte Distrikte in ihre Verantwortung übernehmen, auch im deutschen Einsatzgebiet.

Von 2012 an, kurz vor der Bundestagswahl, werden auch deutsche Soldaten abgezogen. 2014 dürfte dann die Mehrheit der Isaf-Truppen zu Hause sein. So stellt es auch Westerwelle für das heimische Publikum in Aussicht.

Ganz so viel Harmonie wie beim Thema Afghanistan dürfte dem Außenminister in der Debatte um die neue Strategie der Nato allerdings nicht entgegenschlagen. Frankreich ist vergrätzt, weil besonders Westerwelle darauf beharrt, die Abschaffung aller Atomwaffen auch als politisches Ziel für die Nato festzuschreiben. Frankreich will sich aber keine Vorgaben zu seinem Nuklear-Arsenal machen lassen - erst recht nicht von Deutschland.

© SZ vom 19.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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