Nachtsitzungen im Bundestag:"Das ist für alle Beteiligten eine Zumutung"

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Johannes Kahrs bei der Generaldebatte zum Haushalt im Bundestag. (Foto: dpa)

Die Bundestagsabgeordneten müssen derzeit viele Nachtschichten schieben. SPD-Mann Johannes Kahrs erklärt, woran das liegt, warum er für eine Abschaffung ist - und warum es manchmal trotzdem wichtig ist, länger zu bleiben.

Interview von Xaver Bitz

Nachdem vor einigen Wochen zwei Abgeordnete im Bundestag einen Schwächeanfall erlitten, wird im Parlament zumindest hinter verschlossenen Türen über die Arbeitsbelastung diskutiert. Nun haben sich alle Fraktionen bis auf die AfD geeinigt, die Nachtsitzungen abzuschaffen. Zudem sollen die meisten Debatten von 38 auf 30 Minuten verkürzt, fünf Tagesordnungspunkte von Donnerstag auf Mittwoch vorgezogen und die bislang 90 Minuten lang dauernde parlamentarische Fragestunde auf eine Stunde verkürzt werden.

Der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs ist seit 1998 Mitglied des Bundestages. Er gehört dem Ältestenrat des Bundestages an, Dort müsste eine Änderung des Ablaufes einstimmig beschlossen werden. Falls jemand dagegenstimmt, wird im Plenum über die Reform abgestimmt.

SZ: Wie lang war Ihre bislang längste Debatte im Bundestag?

Johannes Kahrs: Ich bin irgendwann mal um kurz vor vier Uhr gegangen.

Um welches Thema ging es?

Das weiß ich nicht mehr. Ich habe das verdrängt und wollte nur noch ins Bett. Aber die letzte Sitzung des Haushaltsausschusses war um 5.12 Uhr zu Ende und das war letzte Woche.

Wie viele Nachtsitzungen haben Sie miterlebt?

Pro Jahr waren es etwa zehn bis zwölf Sitzungen, die länger gingen.

Wie stehen Sie zu dem Vorschlag, Nachtsitzungen abzuschaffen?

Ich halte das in der Sache für richtig. Es hört kaum noch einer zu und es ist kaum noch einer da. Aber der ganze Bundestag ist vollbesetzt mit Mitarbeitern. Das ist für alle Beteiligten eine Zumutung.

Wie hat sich die Belastung im politischen und parlamentarischen Betrieb verändert, seit Sie aktiv sind?

Durch Facebook, Twitter und Instagram gibt es mehr Druck, auch dort permanent aktiv zu sein. Wenn der Tag um 7.30 Uhr beginnt und um 23 Uhr endet, merkt man das schon.

Zu manchen Themen sind lange Sitzungen und Debatten auch notwendig. Besteht die Gefahr, dass diese vom Tisch fallen?

Manchmal machen die langen Sitzungen auch Sinn. Das gab es früher auch und wenn das Thema wichtig ist, ist das auch vollkommen in Ordnung.

Die AfD kritisiert, dass die geplante Verkürzung der Debatten der politischen Kultur schaden würden. Wie sehen Sie das?

Ich finde, die AfD schadet der politischen Kultur dieses Landes. Mehr, als es Debatten jemals könnten.

Hat sich die Anzahl der in die Länge gehenden Sitzungen verändert, seit die AfD im Bundestag ist?

Natürlich. Früher ging es nie so lang, weil man ab einem bestimmten Zeitpunkt auch so vernünftig war, die Reden zu Protokoll zu geben. Und es wurden Reden auch extra auf diesen späten Zeitpunkt gelegt, weil man wusste, dass man sie zu Protokoll gibt.

Wurde über das Thema der Abschaffung bereits im Ältestenrat diskutiert?

Der Ältestenrat hat auch schon vor dem Schwächeanfall der Kollegen darüber gesprochen. Aber die AfD hat sich bislang geweigert, etwas zu ändern.

In anderen Berufen sind - auch unbezahlte - Überstunden an der Tagesordnung, beispielsweise in der Pflege. Gibt es in der Politik eine Überbelastung?

Mein Mann sagt immer, wenn ich meckern will: "Selbstgewähltes Elend, du hättest nicht kandidieren müssen." Und ja, es geht bei uns manchmal lang. Aber ich habe als Student am Fließband gejobbt, also Acht-Stunden-Schichten. Das war anstrengender. Man hat das als Abgeordneter vorher gewusst und muss sich dann danach verhalten.

Würden Sie den Beruf auch mit dem Wissen um die Belastung wieder ergreifen?

Ich bin gerne Abgeordneter! Und wenn man mich wählt, dann mache ich das gerne. Es ist aufregend und man kann gestalten und ich würde mit niemandem tauschen wollen.

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