Monatelang herrscht eine Patt-Situation, dann geht alles ganz schnell: Nach und nach vermelden die libyschen Aufständischen in der Nacht zum Montag Eroberungen und Fortschritte. Während in Deutschland ein sonniger Sonntag ausklingt, laufen immer neue Eilmeldungen über die Nachrichtenticker. Bald ist klar: Das Regime Gaddafi wankt - so stark wie nie zuvor.
Sonntag, 16:05 Uhr: Aus Libyen wird der Beginn einer Offensive gemeldet, deren Ausgang noch unklar ist. Die Kampftruppen der libyschen Rebellen rücken gegen Tripolis vor. Noch 25 Kilometer trennen sie von der Hauptstadt, meldet die Nachrichtenagentur AP. In mehreren Vierteln von Tripolis demonstrieren Tausende gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi - trotz der Gefahr, die von regimetreuen Scharfschützen ausgeht.
16:49 Uhr: Ist Machthaber Muammar al-Gaddafi aus Tripolis geflohen? Die Nachrichtenagentur dpa vermeldet entsprechende Gerüchte - unter Berufung auf gut informierte Kreise in Tripolis. Gaddafi halte sich mit seiner Familie unweit der algerischen Grenze auf, heißt es. Eine Bestätigung gibt es aber nicht - weder von den Rebellen noch von algerischer Seite. Das Verwirrspiel um den Machthaber beginnt.
17:20 Uhr: Der italienische Verteidigungsminister Ignazio La Russa bestätigt Medienberichte, wonach der ehemals enge Vertraute des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi, Abdulsalam Dschallud, nach Italien ausgereist sei. Dschallud war früher libyscher Regierungschef und die Nummer zwei des Regimes. Vor ihm hatten bereits andere Weggefährten Gaddafis dem Diktator die Treue gekündigt.
17:34 Uhr: Auf dem Weg nach Tripolis erobern libysche Rebellen einen strategisch wichtigen Stützpunkt der Chamis-Brigade, einer Eliteeinheit der Truppen von Machthaber Gaddafi. Das meldet ein Reporter der Nachrichtenagentur AP, der die Rebellen begleitet. Der Stützpunkt galt als schwierige Hürde auf dem Weg in die Hauptstadt.
17:35 Uhr: Das Regime wehrt sich. Soldaten Gaddafis nehmen ein Schiff unter Feuer, das Ausländer aus Tripolis evakuieren soll. Es habe nicht in den Hafen einlaufen können, zitiert die polnische Nachrichtenagentur PAP eine Sprecherin des Außenministeriums in Warschau. Das maltesische Schiff hätte eine polnische Frau mit ihren drei Kindern und maltesische Staatsbürger evakuieren sollen.
19:15 Uhr: Gaddafi meldet sich erstmals zu Wort: Er ruft die Libyer dazu auf, die Hauptstadt Tripolis bis zum letzten Blutstropfen gegen die Aufständischen zu verteidigen. "Jetzt ist es an der Zeit, für eure Politik, euer Öl, euer Land zu kämpfen", ruft er in einer vom staatlichen Fernsehen gesendeten Audiobotschaft. Wie der arabische Nachrichtensender al-Dschasira berichtet, versichert Gaddafi, er sei noch in Tripolis und seine Truppen würden niemals aufgeben.
19:47 Uhr: Die Rebellen erreichen die Hauptstadt. Die Kämpfer seien in westlichen Randbezirken von Tripolis von jubelnden Menschen empfangen worden, berichtet die Nachrichtenagentur AFP.
23:13 Uhr: Die Abrechnung mit dem Gaddafi-Clan beginnt. Al-Dschasira berichtet, die Rebellen hätten zwei Söhne des Machthabers gefangen genommen. Saif al-Islam und Al-Saadi seien in einem Touristendorf im Westen der Hauptstadt festgesetzt worden.
23:20 Uhr: Die Meldungen laufen jetzt beinahe im Minutentakt ein. Die Leibwache Gaddafis habe die Waffen niedergelegt, berichtet ein Sprecher des nationalen Übergangsrates bei al-Dschasira. Außerdem hätten die Rebellen bereits den Grünen Platz im Zentrum von Tripolis erreicht. Viele Gaddafi-Truppen seien gefangen genommen worden. Andere würden immer noch Widerstand leisten.
23:30 Uhr: Jetzt meldet sich die libysche Regierung und bietet den Rebellen sofortige Verhandlungen an. Gaddafi sei bereit, direkt mit dem Chef des Übergangsrates der Aufständischen zu verhandeln, sagt ein Regierungssprecher nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters. Die Aufständischen gehen nicht auf das Angebot ein - sie wollen den Sturz des Regimes.
Montag, 0:32 Uhr: Der älteste Sohn des libyschen Despoten ergibt sich. Nach Angaben der Rebellen habe sich Mohammed al-Gaddafi den Aufständischen gestellt, sagt ein Sprecher des Nationalen Übergangsrats der Rebellen der Nachrichtenagentur Reuters. Mohammad leitete zuletzt das staatliche Post- und Fernmeldeunternehmen. Zudem besaß er zwei libysche Mobilfunk-Anbieter und führte das Nationale Olympische Komitee. Jetzt wartet eine Gefängniszelle auf ihn - oder Schlimmeres.
0:38 Uhr: Die nächste Botschaft von Gaddafi an seine Anhänger: "Ihr müsst auf die Straße gehen, um die Ratten und Verräter zu bekämpfen. Alle Stämme müssen nach Tripolis marschieren, um es zu beschützen. Wenn nicht, werdet Ihr Sklaven der Kolonialisten werden", sagt der Despot in einer Audio-Botschaft, die mitten im Text unterbrochen wird. Warum, ist unklar. Bei Twitter machen Gerüchte die Runde, wonach die Botschaft nahe der Grenze eingesprochen wurde.
1:39 Uhr: Bilder des Fernsehsenders Sky News zeigen, wie die Rebellen den Grünen Platz, den wichtigsten Platz im Zentrum der Hauptstadt, erreichen. Es sind jubilierende Menschen zu sehen. Junge Männer schwenken Fahnen der Aufständischen, tanzen und schreien ihre Freude heraus, einige geben Gewehrschüsse in die Luft ab.
2:16 Uhr: Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes ruft den libyschen Übergangsrat in Bengasi dazu auf, den festgenommenen Gaddafi-Sohn Saif al-Islam nach Den Haag zu überstellen. Der nationale Übergangsrat setzt aber offenbar darauf, den Gaddafi-Clan in Libyen vor Gericht zu stellen.
3:37 Uhr: Der nationale Übergangsrat warnt vor Lynchjustiz der Rebellen gegen die Herrscherfamilie. Er appelliere an das "Gewissen und Verantwortungsbewusstsein" aller Kämpfer gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi, sagt Sprecher Mahmud Dschibril: "Rächt Euch nicht, plündert nicht, greift keine Ausländer an und achtet die Gefangenen." Der Kampf sei noch nicht vorbei, "doch mit Gottes Willen wird unser Sieg in einigen Stunden vollkommen sein."
3:45 Uhr: Der Appell scheint zu wirken. Gaddafis Sohn Mohammed sagt dem TV-Sender al-Dschasira, eine Gruppe von Rebellen habe sein Haus umstellt und ihm und seiner Familie Schutz zugesichert.
4:45 Uhr: US-Präsident Barack Obama fordert Machthaber Muammar al-Gaddafi und sein Regime auf, das Ende ihrer Herrschaft einzugestehen und aufzugeben, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Es ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Welt Zeuge einer folgenschweren Nacht geworden ist.
Was jetzt gerade in Libyen passiert: die aktuelle Entwicklung im sueddeutsche.de - Newsticker .