Die spanische Regierung hat am Donnerstag Neuwahlen für die Region Katalonien gefordert. Nach den Worten von Regierungssprecher Iñigo Méndez de Vigo wäre dies der beste Weg, "diese Wunde zu schließen". Zuvor hatte der Delegierte der Zentralregierung in Barcelona, Enric Millo, sein Bedauern über den harten Polizeieinsatz am Rande des Referendums über die Unabhängigkeit Kataloniens am vergangenen Sonntag geäußert.
Das spanische Verfassungsgericht hatte den Urnengang verboten, die Regionalregierung in Barcelona unter Carles Puigdemont setzte sich darüber hinweg - woraufhin die nationale Polizei den Auftrag bekam, Wahlurnen und Stimmzettel zu beschlagnahmen. Bilder von verletzten Demonstranten gingen durch die Medien.
Spanien:Viele wollen vermitteln, keiner will reden
Die Fronten zwischen Spanien und Katalonien sind extrem verhärtet. Die EU, die Kirche und die Opposition wollen helfen - doch bisher vergeblich.
Neuwahlen als Ausweg aus der Krise hatten Berichten zufolge auch Politiker und Diplomaten aus mehreren EU-Staaten in inoffiziellen Unterredungen ins Gespräch gebracht - zumal Puigdemont deren Einschätzung zufolge nicht eindeutig belegen kann, dass die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung Kataloniens hinter ihm stehe.
Beim Referendum hatten am Sonntag zwar 90 Prozent für die Abspaltung Kataloniens vom Königreich Spanien votiert, doch lag die Wahlbeteiligung bei ganzen 43 Prozent. Somit haben nur wenig mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten ihre Zustimmung zur Unabhängigkeit eindeutig bekundet. Bei den Regionalwahlen 2015 waren bei einer Beteiligung von 77 Prozent ganze 48 Prozent der Stimmen auf die kompromisslosen Befürworter einer unabhängigen Republik Katalonien entfallen. Die Ergebnisse beider Abstimmungen entsprachen sich also.
Die Polizei habe "in angemessener Weise den Rechtsstaat verteidigt"
Nach Meinungsumfragen und Untersuchungen von Politologen bezeichnen sich lediglich ein Drittel der 7,5 Millionen Einwohner der Region als Katalanen, ein weiteres Drittel sieht sich ausschließlich als Spanier, im dritten Drittel will man beides sein.
Wenig Zweifel bestehen jedoch daran, dass in der jungen Generation unter 25 Jahren sich die Mehrheit zur Idee einer katalanischen Nation bekennt. Es waren junge Leute, die in den vergangenen Wochen die Massenkundgebungen gegen Madrid dominierten. Soziologen haben wiederholt die konservative Regierung in Madrid gewarnt, dass die jungen Katalanen unwiederbringlich für die Idee von der Einheit Spaniens verloren gehen könnten.
Nach den unversöhnlichen Reden von Ministerpräsident Rajoy und König Felipe VI. zur Lage in Katalonien setzte nun der Regierungsdelegierte Enric Millo, der als Vertrauter Rajoys gilt, einen neuen Akzent. In einem Fernsehinterview sagte er, leider seien Menschen geschlagen und getreten worden, dies sei inakzeptabel. Bislang hatte die Sprachregelung der Regierung gelautet, dass die Polizei "in angemessener Weise den Rechtsstaat verteidigt" habe.
Madrid erhöhte auch den wirtschaftspolitischen Druck
Das Verfassungsgericht in Madrid hatte am Vorabend eine für Montag anberaumte Sitzung des Regionalparlaments verboten. Laut Presseberichten stand eine Aussprache über das Referendum an, führende Abgeordnete aus den Reihen der Unabhängigkeitsbewegung hätten darauf gedrungen, bei der Gelegenheit die Unabhängigkeit zu erklären. War es zunächst noch unklar, ob sich die Katalanen an das Verbot halten würden, sagte mittlerweile eine Sprecherin der linken Parlamentspartei CUP, dass die Sitzung aufgrund des Verbots ausfallen werde. Die CUP ist entschieden für die Unabhängigkeit der Region.
Puigdemont gab am Freitag bekannt, dass er am Dienstagabend vor dem Parlament eine Rede halten werde. Er klagte darüber, dass die EU die Verletzung von Grundrechten der Bevölkerung Kataloniens ignoriere - aus Brüssel aber wurde ihm von vielen Seiten klargemacht, dass die andauernde Verletzung der spanischen Verfassung durch Barcelona nicht akzeptabel sei.
Die Regierung in Madrid erhöhte am Freitag auch den wirtschaftspolitischen Druck auf die Region. Das Wirtschaftsministerium gab bekannt, dass die Vorschriften für den Ortswechsel von Firmensitzen vereinfacht werden sollten.
Der Vorstand der katalanischen Großbank La Caixa überlegt, in Mallorcas Hauptstadt La Palma umzuziehen, die fünftgrößte Bank des Landes, Banco Sabadell, hat schon angekündigt, die Zentrale nach Alicante zu verlagern.