Nach Mediaset-Urteil:Berlusconis Spießgesellen erpressen Italien

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Silvio Berlusconi: der Politiker mit PdL-Sekretär Angelino Alfano auf einer Aufnahme von März 2013 (Foto: dpa)

Italien wird Polit-Zombie Silvio Berlusconi nicht los. Mit einer Drohung wollen seine PdL-Parteigenossen eine Amnestie für ihren Chef erreichen. Ihr Rücktritt würde das Aus der Regierung bedeuten. Sie erpressen den italienischen Staatspräsidenten - und damit das ganze Land.

Eine Analyse von Jakob Schulz

Das Sommerloch in Italien ist fürs Erste gut gefüllt. Statt vor Krokodilen im Tiber oder badegästemeuchelnden Ungeheuern im Gardasee zu warnen, berichten die italienischen Medien vor allem über einen alten Bekannten: Silvio Berlusconi, den ehemaligen Ministerpräsidenten Italiens. Vier Jahre Jahre Haft, so lautet das endgültige Urteil gegen ihn im Mediaset-Prozess. Es ist der vorläufige Höhepunkt in einem regelrechten Prozessmarathon gegen den 76-Jährigen, der sich unter anderem wegen Steuerhinterziehung, Amtsmissbrauch und Sex mit Minderjährigen verantworten muss.

Italien kehrt den übriggebliebenen Schmutz aus Jahrzehnten unter Berlusconi zusammen. Das erste rechtskräftige Urteil müsste Berlusconi eigentlich politisch für immer ins Jenseits katapultieren. Doch in Italien funktioniert Politik anders. Hier entscheidet der Polit-Zombie und Steuerhinterzieher über das Schicksal der Regierung.

PdL droht dem Präsidenten

Am Freitag trafen sich Politiker von Berlusconis Partei PdL (Volk der Freiheit) zu einer Krisensitzung in Rom. Wie La Repubblica berichtete, sprang PdL-Sekretär Angelino Alfano seinem Parteipräsidenten zur Seite. Die Minister und Abgeordneten der Partei seien bereit, zurückzutreten, sollte es nicht noch eine Lösung für Berlusconi geben.

Sollten die Berlusconi-Politiker ihre Drohung wahrmachen, wäre dies das Aus für die Regierung von Premier Enrico Letta. Seit Ende April regiert dessen Demokratische Partei (PD) mit Berlusconis PdL und der Bürgerliste Scelta Civica (SC).

Ihre Drohung ist an sich nicht neu, doch diesmal hat sie einen klaren Adressaten. Die Berlusconi-Genossen wollen Staatspräsident Giorgio Napolitano dazu zwingen, eine Amnestie für Berlusconi auszusprechen. Napolitano dürfte daran interessiert sein, dass die Koalition fortbesteht, immerhin hatte er damals zwischen den zerstrittenen Parteien vermittelt.

So drohen die PdL-Politiker nicht nur dem Staatspräsidenten, sondern erpressen zugleich auch das ganze Land. Denn zerbräche die Regierung, wäre das auch ein weiterer Rückschlag für die dringend notwendigen Reformen in Italien. Seit Monaten drängen Deutschland und andere Euro-Länder darauf, dass das Land endlich Strukturreformen anpackt und die Arbeitslosigkeit bekämpft. Angesichts der hohen Staatsverschuldung sind Reformen bitter nötig, von 124 Prozent des Bruttoinlandprodukts Anfang 2012 stieg die Verschuldung zuletzt auf 130 Prozent.

Deshalb hofft auch Ministerpräsident Letta, dass seine Regierung das Urteil gegen Berlusconi übersteht. Nach dem Schuldspruch des Kassationsgerichts hatte er an die Verantwortung der Parteien appelliert. Er hoffe, dass sich die Interessen des Landes in diesem heiklen Augenblick durchsetzten und die Regierung nicht zermürbt werde, sagte Letta und warnte: "Ich werde nicht um jeden Preis weitermachen, das wäre auch nicht im Interesse Italiens."

"Polit-Zombie frisst Regierung auf"

Dabei ist völlig offen, ob Berlusconis Parteigenossen ihre Drohung tatsächlich wahrmachen. Zwar hatte Berlusconi in einer Videobotschaft minutenlang gegen "kommunistische Richter" gewettert. Doch offenbar hat sich sogar der Cavaliere selbst gegen vorschnelle Aktionen ausgesprochen. "Keine übereilten Entscheidungen", habe Berlusconi gesagt, wurde Reform-Minister Gaetano Quagliariello nach der PdL-Krisensitzung zitiert.

Doch die Regierung unter Enrico Letta könnte auch von anderer Seite destabilisiert werden. Bei vielen Politikern der sozialdemokratischen Regierungspartei PD brodelt es. Sie wollen nicht länger mit den ungeliebten Berlusconi-Anhängern der PdL zusammenarbeiten müssen und könnten Moral vor Staatsräson stellen.

Bei seinem Amtsantritt im Frühjahr hatte Letta angekündigt, den Erfolg seiner Reformen binnen 18 Monaten zu überprüfen. Wenn dieser nicht gegeben sei, werde er "die Konsequenzen ziehen". Das könnte dem 46-Jährigen nun erspart bleiben. Denn die italienischen Zeitungen könnten statt der üblichen Sommerloch-Märchen von Krokodilen im Badeweiher bald eine wirklich ungeheuerliche Nachricht melden:

"Mitten in Rom: Polit-Zombie frisst italienische Regierung auf"

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