Nach Mediaset-Urteil:Berlusconi außer Rand und Band

"So belohnt Italien die Opfer seiner besten Bürger": Nach seiner Verurteilung keilt Cavaliere Berlusconi zurück. In einer Videobotschaft schimpft Italiens früherer Regierungschef über "kommunistische" Richter. Und er kündigt an, politisch erneut angreifen zu wollen.

Der erstmals definitiv verurteilte Silvio Berlusconi hat nach seinem Schuldspruch die italienische Justiz scharf kritisiert. In einer vom italienischen Fernsehen ausgestrahlten Videobotschaft wandte sich Berlusconi an die Nation. Ein Teil der Richter in Italien sei "verantwortungslos", die Prozesse gegen ihn eine "wirkliche und wahre juristische Verbissenheit", die ihresgleichen suche. "Am Ende meiner Karriere wird der 20-jährige Einsatz für dieses Land mit Beschuldigungen und einem Urteil belohnt, das jeder Grundlage entbehrt", schimpfte der verbittert wirkende Politiker. Er habe "niemals ein Steuerbetrugssystem auf die Beine gestellt", sondern vielmehr "zum Reichtum des Landes beigetragen". "So belohnt Italien die Opfer und das Engagement seiner besten Bürger", sagte er.

Aufgenommen wurde das Video in Berlusconis Luxusresidenz im Zentrum von Rom. "Dieses Land ist nicht gerecht", fuhr der dreimalige Ministerpräsident fort, der sich schon öfter als Opfer der italienischen Justiz und ihrer "kommunistischen Richter" dargestellt hatte. Das Urteil beraube ihn seiner "Freiheit und politischen Rechte". Gleichzeitig kündigte der frühere italienische Regierungschef an, seinen "Kampf für die Freiheit" fortzusetzen und seine Partei "Forza Italia", mit der er vor fast 20 Jahren in die Politik eingestiegen war, wiederzubeleben.

Während seine Anwälte nun den Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erwägen, begrüßten Berlusconis Gegner das Urteil vor dem Gerichtsgebäude mit Jubelrufen und köpften eine Flasche Champagner.

Der Regierungskoalition aus Berlusconis konservativer Partei Volk der Freiheit (PDL) und den Sozialdemokraten von Ministerpräsident Enrico Letta drohen indes Turbulenzen: Viele Linkspolitiker haben eine Zusammenarbeit mit der PDL ausgeschlossen, wenn diese fortan von einem verurteilten Steuerbetrüger geführt würde. Auch die PDL könnte die Koalition aus Ärger über das vermeintlich politisch motivierte Urteil gegen ihren Vorsitzenden platzen lassen. Letta bemühte sich nach dem Urteil um versöhnliche Töne. "Zum Wohl des Landes" sei nun Ruhe angebracht sowie Respekt vor der Justiz und ihren Entscheidungen.

Ins Gefängnis muss Berlusconi aber wohl nicht

Das höchste ordentliche Gericht des Landes hatte am Donnerstagabend nach stundenlangen Beratungen die Haftstrafe der unteren Instanz gegen den 76 Jahre alten Medienzar bestätigt. Ins Gefängnis muss er dennoch nicht - wegen seines Alters. Auch einen direkten Ausschluss aus der Politik muss Berlusconi nicht fürchten: Das mit dem Urteil in zweiter Instanz verbundene Ämterverbot für ihn muss vor einem Berufungsgericht neu verhandelt werden. Wird es definitiv bestätigt, würde der langjährige Regierungschef seinen Sitz im Senat verlieren.

Berlusconi war im Mai in zweiter Instanz im Mediaset-Prozess schuldig gesprochen worden. In dem Prozess ging es um Berlusconis Medienkonzern Mediaset, der Schwarzgeldkonten im Ausland unterhalten und Preise für Filmübertragungsrechte künstlich in die Höhe getrieben haben soll. Der Anklage zufolge erwarben Scheinfirmen die Rechte und verkauften sie anschließend an Mediaset zurück. Insgesamt entgingen dem Fiskus dadurch sieben Millionen Euro. Berlusconi war nach Überzeugung des Gerichts voll im Bilde. In erster Instanz war der "Cavaliere" deshalb zu vier Jahren Haft und einem fünfjährigen Berufsverbot als Politiker verurteilt worden, allerdings wurde die Haftstrafe wegen einer Amnestieregelung auf ein Jahr reduziert.

Berlusconi droht in weiteren Prozessen noch mehr Unheil. Im "Ruby"-Prozess um Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch wurde er in erster Instanz schuldig gesprochen, ein Verfahren wegen Bestechung könnte im Herbst eröffnet werden.

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