Der internationale Druck auf Myanmar nimmt zu, weil der Staat die Krise um die Minderheit der muslimischen Rohingya nicht in den Griff bekommt. Mehr als 125 000 Menschen sind im Westen auf der Flucht. Doch Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi verteidigte die Politik ihres Landes und schrieb in einer Erklärung: "Die Regierung hat bereits begonnen, alle Leute in Rakhine auf die bestmögliche Weise zu beschützen."
Menschenrechtsgruppen und die Vereinten Nationen sehen das anders, sie warnen vor einer Ausweitung der Krise in dem überwiegend von Buddhisten bevölkerten Staat. Die jüngste Welle der Gewalt begann am 25. August im äußersten Westen, als aufständische Kämpfer etwa 30 Polizeiposten attackierten. Zu den Angriffen bekannte sich die "Arakan Rohingya Salvation Army" (ARSA). Die Gruppe behauptet, in Notwehr zu handeln, um die Rohingya vor der Repression der Armee zu retten.
UN-Generalsekretär António Guterres richtete nun einen Brief an den UN-Sicherheitsrat. In New York erklärte er vor Journalisten: "Ich habe die Angriffe der Arakan Rohingya Salvation Army verurteilt. Doch nun bekommen wir ständige Berichte über Gewalt der Sicherheitskräfte." Deren Attacken seien wahllos. Guterres appellierte an den Staat, die Gewalt zu beenden. Auf die Frage, ob es ethnische Säuberungen gebe, sagte Guterres: "Es gibt ein Risiko." Er hoffe, dass es abgewendet werden könne.
Suu Kyi, die Vorwürfe dieser Art schon früher kategorisch zurückgewiesen hatte, wählte eine andere Stoßrichtung. Sie hob darauf ab, dass ihre Kritiker häufig manipulierten Informationen ausgesetzt seien. Sie warnte, dass gefälschtes Bildmaterial im Umlauf sei, was die Krise verschärfe und Extremisten in die Hände spiele. Als Beispiel führte sie an, dass der türkische Vize-Premier Mehmet Şimşek vor wenigen Tagen Fotos in den sozialen Medien teilte, die dokumentieren sollten, welche Gräuel an Rohingya verübt werden. Später löschte er die Bilder, weil Zweifel an dem Material aufkamen. Tatsächlich stellte sich heraus, dass die Bilder ganz andere Szenen zeigten, eines war während der Rebellion im indonesischen Aceh entstanden.
Trotz Manipulationen - die Verfolgung der Rohingya ist vielfach belegt
Analysten beobachten Manipulationen dieser Art schon länger. Fälschungen erschweren es, ein präzises Bild von der Lage zu zeichnen. Doch das bedeutet nicht, dass die international vorherrschende Einschätzung grundlegend revidiert werden müsste. Es ist vielfach belegt, dass sich die Rohingya in einer verheerenden Notlage befinden, dass sie verfolgt und diskriminiert werden und der Staat Myanmar die entscheidenden Schritte verweigert oder zumindest verschleppt, die nötig wären, um die Krise dauerhaft zu entschärfen.
UN-Generalsekretär Guterres mahnt, der Staat müsse das Problem an der Wurzel packen, wozu vor allem gehöre, den staatenlosen Rohingya endlich einen rechtlichen Status zu geben, der ihnen ein normales Leben ermöglicht. Von anhaltender Unterdrückung und Gewalt zeugen nicht nur Aussagen vieler geflohener Familien, die im Laufe der Jahre von den UN und Menschenrechtsgruppen gesammelt und ausgewertet wurden. Auch Satellitenaufnahmen machen die immensen Zerstörungen nach Militäroperationen deutlich.
Die Armee versucht, unabhängige Beobachter fernzuhalten. Der Krisenherd ist abgeriegelt, von dort sind in den vergangenen Tagen nun schon mehr als 125 000 Menschen über die teils verminte Grenze nach Bangladesch geflohen. Die Aufständischen stuft Myanmar als Terroristen ein, angeblich werden sie im Ausland trainiert, sie sollen Kontakte zu islamistischen Extremisten in Asien und Nahost haben.
Schon lange sieht sich Suu Kyi dem Vorwurf ausgesetzt, sie verharmlose die Lage der Rohingya, von denen viele schon seit Generationen im Grenzgebiet leben, ohne als Staatsbürger von Myanmar anerkannt zu werden. Die frühere Freiheitskämpferin beansprucht die politische Führung ihres Landes seit ihrem Wahlsieg 2016. Weil ihr eine vom Militär durchgesetzte Verfassungsklausel das Amt der Präsidentin verwehrt, regiert sie vom Posten einer Staatsrätin aus. Die Macht der Armee ist immer noch groß. Kritik an den Generälen ist von Aung San Suu Kyi in diesen Zeiten nicht zu hören.