Mittelmeer:Widerstand im Fischerdorf

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In dieser Woche gab der Fall von Gorino viel zu reden, einem kleinen Fischerdorf am Mündungsdelta des Flusses Po, das nur über eine schmale Straße erreichbar ist. Als die Polizei den Beschlagnahmungs-Bescheid an die Tür des einzigen Gasthofs heftete, wo zwölf Frauen und acht Kinder untergebracht werden sollten, errichtete die Bevölkerung mit Holzpaletten schnell eine Straßenblockade.

Um den Bus zu stoppen, der schon zu ihnen unterwegs war. Auch diese Bilder kamen in den Nachrichten, die Dorfbewohner sagten, man lasse sich nicht gängeln von der "Diktatur der Aufnahme". Man sei keineswegs rassistisch, doch es sei doch klar, dass nach den Frauen und den Kindern bald auch deren Männer und Väter kämen: "Es wird eine Invasion geben", sagte einer in die Kameras.

Der Staat gab klein bei, obschon die Herberge der Provinz gehört. Der Bus musste umkehren, die Flüchtlinge wurden auf drei Zentren der Provinz aufgeteilt. Am Eingang von Gorino tranken sie darauf Rotwein, grillten Würste, als gebe es etwas zu feiern. Später wurde bekannt, dass die fremdenfeindliche Lega Nord, die im Veneto traditionell stark vertreten ist, den Aufstand der Bürger mit ihrer Propaganda befeuert hat. Parteichef Matteo Salvini twitterte: "Ich stehe an der Seite der Bürger von Gorino."

Im italienischen Innenministerium befürchtet man nun, dass das Einknicken des Präfekten die Bewohner anderer Gemeinden dazu bewegen könnte, Gorino nachzuahmen. Innenminister Angelino Alfano war dermaßen erzürnt über die Aktion, dass er den beteiligten Bürgern dort ausrichtete, ihr Verhalten spiegle nicht das wahre Italien. Mehr Verständnis brachte ihnen Premier Matteo Renzi entgegen. Er räumte gar ein, dass der Staat Fehler mache und manchmal nicht gut genug kommuniziere und auch nicht immer gut organisiere. Renzi ist sichtlich darum bemüht, den Rechtspopulisten im Land keinen zusätzlichen Stoff für ihr Gehetze zu geben.

"Ein weiteres Jahr wie dieses schaffen wir nicht"

Eher angreifend ist sein Ton hingegen, wenn er sich an die EU-Partner wendet. Auch dieser Diskurs dient nebenbei dazu, die innenpolitische Opposition zurückzubinden. Renzi sagt, sein Land sei der Herausforderung des Flüchtlingsandrangs zwar gewachsen: "Doch ein weiteres Jahr wie dieses schaffen wir nicht." Da schwingt eine Art Ultimatum mit. Renzi wirft den Partnerstaaten vor, sie ließen es in inakzeptabler Weise an Solidarität mangeln. Das große Umsiedlungsprogramm für Flüchtlinge? Es scheitert am Willen zur Umsetzung. Besonders hart ist die Weigerung osteuropäischer Länder, die keinen einzigen Migranten aus Italien übernehmen wollen.

Renzi mag das nicht länger hinnehmen und droht nun sogar damit, Italiens Zahlungen an die EU zu suspendieren, wenn die "Mauerbauer" obsiegten. Er meint damit Ungarn, die Tschechische Republik, die Slowakei. Italien, sagt Renzi, komme allen seinen Verpflichtungen nach, den humanitären wie den juristischen: Es koordiniere die Rettung der Migranten aus der Seenot, wie es die humanitäre Tradition des Kontinents befehle. Und es registriere mittlerweile auch jeden einzelnen Ankömmling in den dafür eingerichteten Hotspots, wie das Brüssel fordere. Da sei es nur fair, wenn auch die Partner endlich ihren Teil leisteten. Und zwar alle.

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