Mehr als 9000 Kilometer voneinander entfernt liegen die Orte, an denen das Schicksal Syriens am Donnerstag womöglich eine Wende nahm. Kurz nachdem die US-Regierung in Washington erklärt hatte, die syrischen Rebellen künftig stärker militärisch zu unterstützen, meldete sich der gewöhnlich gut informierte syrische Journalist Rami Jarrah zu Wort. Die Grenzposten zwischen der Türkei und Syrien, berichtete er via Twitter, seien gerade für den regulären Grenzverkehr geschlossen worden, um einer französisch-saudischen Waffenlieferung an die Rebellen den Weg zu bahnen.
Vorausgesetzt, Jarrahs Informationen stimmen, zeichnet sich ein deutliches Bild ab: Eine Koalition der Willigen ist bereit, die schwächelnden Gegner Assads wieder aufzurichten. Der blutige Bürgerkrieg, bei dem inzwischen UN-Schätzungen zufolge mehr als 93.000 Menschen ums Leben gekommen sind, hatte sich in den vergangenen Wochen erneut zugespitzt - zu Ungunsten der Assad-Gegner.
Regierungstruppen eroberten mit Unterstützung der Hisbollah strategisch wichtige Orte im syrisch-libanesischen Grenzgebiet. Mit den schwersten Angriffen seit Monaten versucht die Armee gerade, Sakhour wieder einzunehmen, einen von Rebellen besetzten Teil der komplett verwüsteten Stadt Aleppo.
Obamas "rote Linie"
Offiziell erklären sich die USA zu verstärkter Hilfe bereit, weil sie den Einsatz des Nervengifts Sarin durch die syrische Regierung inzwischen als erwiesen ansehen. Damit schließt sich Washington der Meinung Frankreichs und Großbritannien an. Die beiden Nationen gelten als Unterstützer einer Bewaffnung der Rebellen. Ein hochrangiger russischer Abgeordneter bezeichnete die Chemiewaffen-Vorwürfe der US-Regierung dagegen als Lüge. "Die Daten wurden an derselben Stelle fabriziert wie die Lügen über die Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins." Ein Berater von Präsident Wladimir Putin erklärte, die Hinweise seien "nicht überzeugend." Moskau gilt neben Iran als wichtigster Verbündeter Assads und soll die Beweise, die sich offenbar auf die Auswertung zweier Rebellen-Blutproben stützen, für eine eigene Einschätzung erhalten. Eine unabhängige Untersuchung durch die Vereinten Nationen gab es bislang noch nicht.
Obama hatte die Verwendung von Chemiewaffen mehrmals als "rote Linie" bezeichnet, mit deren Überschreitung sich sein "Kalkül ändern" werde. Doch ein ungenannter Mitarbeiter des Weißen Hauses erklärte der US-Seite Politico: "Hätten wir so auch ohne Beweise entschieden? Wahrscheinlich."
In den vergangenen Wochen hatten vor allem Sicherheitspolitiker wie der US-Senator John McCain Obama immer wieder aufgefordert, seinen Worten von der roten Linie Taten folgen zu lassen. Am Mittwoch hatte sich auch noch Ex-Präsident Bill Clinton eingeschaltet. Dem Töten in Syrien weiter zuzusehen sei "ein Fehler", erklärte er.
Soldaten der syrischen Regierungstruppen stehen auf dem militärischen Flugplatz von Dabaa, nördlich der Stadt Kusair, die in der vergangenen Woche aus der Hand der Rebellen zurückerobert wurde
(Foto: AFP)