Spata:Erste Flüchtlingskinder landen in Hannover

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Zwei Jungen sitzen lachend in einem Bus und zeigen den Daumen nach oben. (Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Um kurz vor elf Uhr am Samstagvormittag setzt der Flieger aus Athen auf der Landebahn in Hannover auf. Darin sitzen 47 Kinder und Jugendliche, die damit für...

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Athen/Hannover (dpa) - Um kurz vor elf Uhr am Samstagvormittag setzt der Flieger aus Athen auf der Landebahn in Hannover auf. Darin sitzen 47 Kinder und Jugendliche, die damit für mitteleuropäische Verhältnisse unvorstellbare Lebensumstände hinter sich lassen: Sie kommen aus heillos überfüllten griechischen Flüchtlingslagern auf den Ägäis-Inseln Samos, Chios und Lesbos. 47 Minderjährige - das erscheint humanitären Organisationen angesichts Hunderter unbegleiteter Kinder und Jugendlicher, die in den Lagern ausharren, eine verschwindend geringe Zahl.

Als die Kinder und Jugendlichen nach der Landung in zwei Busse steigen, die sie in den Kreis Osnabrück bringen, sieht man trotz des Mundschutzes, wie sie lachen. Den wartenden Fotografen zeigen sie ihre hochgestreckten Daumen. Im Osnabrücker Land werden die Kinder erst einmal für eine 14-tägige Corona-Quarantäne untergebracht.

Einige der Kinder sollen dauerhaft in Kommunen in Niedersachsen bleiben. Etwa 20 von ihnen haben in Deutschland Verwandte und werden dorthin gebracht. Auch andere Bundesländer hatten die Aufnahme von Kindern angeboten. „Nordrhein-Westfalen ist auf die Aufnahme auch mehrerer Hundert vorbereitet und steht als Aufnahmeland für die zweite Evakuierung bereit“, sagte Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) der dpa. „Wir müssen jetzt weitermachen, um das Elend auf den griechischen Inseln so schnell wie möglich zu beenden.“

Der deutsche Repräsentant des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Frank Remus, sagte der dpa mit Blick auf die 47 Minderjährigen: „Die Zahl ist klein und es kann in der Tat nur ein Anfang sein, wenn es darum geht, die völlig überfüllten und unzumutbaren Camps auf den griechischen Inseln zu entlasten.“ Es dürfe nicht vergessen werden, dass sie nun in einer fremden Welt eingetroffen seien, ohne gewohnte Umgebung und vertraute Menschen. „Wann sie auch in Deutschland ankommen, hängt von hilfreichen Händen und offenen Herzen ab.“

Deutschland plant, insgesamt 350 bis 500 unbegleitete Minderjährige von den griechischen Inseln aufzunehmen - bevorzugt Kinder im Alter unter 14 Jahren, kranke Kinder und Mädchen. Allerdings sind die meisten Minderjährigen, die ohne Mutter und Vater in die Europäische Union kommen, Jungen: Unter den 47 am Samstag gelandeten Flüchtlingen - 42 Kinder und 5 Jugendliche - sind nur vier Mädchen.

Die Bundesregierung erwartet, dass auch andere EU-Staaten, die ihre Zusage zur Aufnahme aufgrund der Corona-Pandemie erst später erfüllen wollen, zu ihren Verpflichtungen stehen. Insgesamt sollen nach Angaben der Europäischen Kommission rund 1600 kranke Kinder und unbegleitete Minderjährige umgesiedelt werden. Außer Deutschland haben noch neun weitere EU-Staaten und die Schweiz erklärt, mitzumachen: Luxemburg, Belgien, Bulgarien, Frankreich, Kroatien, Finnland, Irland, Portugal und Litauen. Bisher trafen vor einigen Tagen erst zwölf Minderjährige in Luxemburg ein.

Nach der Ankunft der ersten Flüchtlingskinder fordern SPD und Grüne weitere Umsiedlungen. „Länder und Kommunen sind bereit zur Aufnahme - wir können also helfen, also sollten wir das über das bisher verabredete Maß gemeinsam mit unseren europäischen Partnern auch tun“, sagte der migrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Lars Castellucci, der „Welt am Sonntag“. Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg, verlangte, Deutschland solle ein großzügiges Aufnahmeprogramm auf den Weg bringen, das auch Familien, Alleinstehende mit Kindern, Schwangere sowie Alte und Kranke berücksichtige.

Der stellvertretende Unionsfraktionschef Thorsten Frei (CDU) betonte, man stehe zu dem Koalitionsbeschluss zur Aufnahme der Minderjährigen, wolle aber nicht darüber hinausgehen. Er wies darauf hin, dass Unterbringung und Betreuung pro Minderjährigem zwischen 50 000 und 70 000 Euro pro Jahr kosteten. Man könne mit dem Geld „auch viel Hilfe vor Ort leisten, ohne Anreize für die Migration zu schaffen“, sagte Frei der „Welt am Sonntag“. Bei der Aufnahme müsse es um die „absoluten Härtefälle“ gehen.

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