Migration:Merkel widerspricht Seehofer: "Islam gehört zu Deutschland"

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Muslimische Frauen in Berlin-Kreuzberg. Foto: Kay Nietfeld (Foto: dpa)

Berlin (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in der Debatte um die Rolle des Islams in Deutschland von den Äußerungen des neuen Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) deutlich distanziert.

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Berlin (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in der Debatte um die Rolle des Islams in Deutschland von den Äußerungen des neuen Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) deutlich distanziert.

Deutschland sei zwar stark vom Christentum geprägt, aber inzwischen lebten auch vier Millionen Muslime in Deutschland, sagte die CDU-Chefin bei einem Treffen mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven in Berlin. "Diese Muslime gehören auch zu Deutschland, und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam." Man wolle einen Islam, der auf der Grundlage des Grundgesetzes basiert. "Wir müssen alles tun, um das Zusammenleben gut zu gestalten zwischen den Religionen."

Seehofer hatte der "Bild"-Zeitung gesagt, für ihn gehöre der Islam nicht zu Deutschland. Die hierzulande lebenden Muslime gehörten aber selbstverständlich zu Deutschland. Dies bedeute natürlich nicht, "dass wir deswegen aus falscher Rücksichtnahme unsere landestypischen Traditionen und Gebräuche aufgeben".

Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei warfen Seehofer vor, er wolle sich bei den Anhängern der AfD anbiedern. "Das Motiv ist wahrscheinlich, die Wählerinnen und Wähler zu kriegen, die vermeintlich bei der AfD gelandet sind", sagte die bayerische SPD-Vorsitzende Natascha Kohnen dem Nachrichtensender n-tv. Mit so einem Satz hetzt man Menschen gegeneinander auf", kritisierte sie. Die religionspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christine Buchholz, sprach von einem "Zugeständnis an die AfD".

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) widersprach. "Die in Deutschland lebenden Muslime gehören zu Deutschland, das gilt selbstverständlich auch für ihren Glauben", sagte Weil. Das Grundgesetz kenne keine Staatsreligion, dies habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) immer wieder zum Ausdruck gebracht. "Es ist bemerkenswert, dass der Bundesinnenminister gleich an seinem ersten Arbeitstag eine völlig überflüssige Kontroverse mit seiner Regierungschefin anzettelt", sagte Weil.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, sagte, die Aussage, dass "gut integrierte und rechtstreue Muslime" zu Deutschland gehörten, der Islam aber nicht, sei eine "Kernbotschaft" seiner Partei. Dass sich Seehofer diese nun zu eigen mache, "bekräftigt, wie richtig wir damit liegen". Poggenburg war zuletzt wegen türkenfeindlicher Aussagen in einer Aschermittwochsrede unter Druck geraten.

Der Satz war 2010 durch den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff geprägt worden. Er hatte heftige Debatten ausgelöst. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihn sich ausdrücklich zu eigen gemacht - was Seehofer damals zu bewerten abgelehnt hatte. Andere haben Wulffs Satz widersprochen, Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) etwa mit exakt der gleichen Argumentation wie jetzt Seehofer.

Der neue Minister kündigte an, erneut Islamkonferenzen einzuberufen, um über Integrationsprobleme von Muslimen zu diskutieren. "Wir müssen uns mit den muslimischen Verbänden an einen Tisch setzen und den Dialog suchen und da wo nötig noch ausbauen", sagte er. Bei den bisherigen Konferenzen beriet der jeweilige Innenminister mit Islamverbänden und Muslimvertretern über Migrationsthemen.

Seehofer sagte: "Meine Botschaft lautet: Muslime müssen mit uns leben, nicht neben oder gegen uns. Um das zu erreichen, brauchen wir gegenseitiges Verständnis und Rücksichtnahme. Das erreicht man nur, wenn man miteinander spricht."

Mit Hochdruck will er zudem die Einrichtung zentraler Aufnahmestellen ("Anker-Zentren") vorantreiben, in denen Asylbewerber nach ihrer Ankunft untergebracht werden sollen, bis über Ihren Antrag entschieden ist. "Dieses Gesetzesvorhaben wollen wir noch bis zur Sommerpause angehen. Ein erstes "Anker-Zentrum" soll bis zum Herbst entstehen."

Kauder pochte auf die Einführung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Zentren. "Hilfreich wäre es, wenn die Asylbewerber nicht mehr auf die Länder und Kommunen verteilt würden, sondern bis zum Abschluss ihres Verfahrens in bestimmten Einrichtungen verbleiben würden." Aus diesen Zentren könnten sie leichter zurückgebracht werden, wenn sie keine Anerkennung erhalten. "Sie müssen kommen", sagte er dem Nachrichtenmagazin "Focus". Kauder zeigte sich zuversichtlich, dass die SPD das mitträgt. "Ein Staat muss das Recht durchsetzen, ansonsten verliert er den Respekt seiner Bürger - das wird auch zunehmend in der SPD so gesehen."

Union und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass Asylbewerber in den "Anker-Zentren" in der Regel nicht länger als eineinhalb Jahre bleiben sollen, Familien ein halbes Jahr. Angestrebt werde, nur jene mit einer positiven Bleibeprognose auf die Kommunen zu verteilen. Dies ist auch eine Forderung der Kommunalverbände.

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