Früherer AfD-Chef:Meuthen tritt Zentrumspartei bei

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Ist jetzt Mitglied der christlich-konservativen Zentrumspartei: der frühere AfD-Chef Jörg Meuthen. (Foto: Metodi Popow /Imago)

Erst im Januar ist er nach monatelangen Machtkämpfen als Parteichef zurück- und aus der AfD ausgetreten. Nun hat der Europa-Parlamentarier eine neue Gruppierung gefunden - eine Kleinstpartei mit 500 Mitgliedern.

Von Oliver Klasen

Die meisten kennen die Zentrumspartei nur aus dem Geschichtsunterricht. Zwischen den beiden Weltkriegen spielte sie im Deutschen Reich eine große, am Ende, als die Demokratie zunehmend erodierte, eine verhängnisvolle Rolle. Neulich tauchte sie in einer Frage bei "Wer wird Millionär" wieder aus der Versenkung auf. "Welche Partei, die in der Weimarer Republik mehrfach den Kanzler stellte, ist seit Januar nach 65 Jahren wieder im Bundestag vertreten?", fragte Günther Jauch seine Kandidatin. Die richtige Antwort: das Zentrum.

Der Bundestagsabgeordnete Uwe Witt, von 2013 bis 2021 in der AfD, dann einige Monate fraktionslos, war Anfang des Jahres der christlich-konservativen Deutschen Zentrumspartei beigetreten. Nun hat es ihm ein anderes, deutlich prominenteres ehemaliges AfD-Mitglied gleichgetan, wie das ZDF berichtet: Der frühere AfD-Chef Jörg Meuthen.

Meuthens Rolle ist völlig offen

"Ich freue mich ungemein auf die Aufgabe, weil ich da hochinteressante Menschen kennengelernt habe, die meinem Weltbild auch entsprechen. Das war bei der AfD zuletzt nicht mehr so", sagte Meuthen dem Sender.

Erst seit wenigen Tagen sei er Mitglied beim Zentrum. Welche Rolle er in der neuen Partei übernehmen soll, ist unklar. Erst mal werde er einfaches Mitglied sein. "Wenn es dann auf Führungsaufgaben herausläuft, nehme ich die natürlich gerne", wird der frühere AfD-Politiker in dem ZDF-Bericht zitiert. Sein Mandat im Europäischen Parlament in Straßburg werde er behalten.

Meuthen war im Januar nach monatelangen parteiinternen Machtkämpfen als AfD-Chef zurück- und aus der Partei ausgetreten. Er reihte sich damit ein in die Liste von früheren Parteivorsitzenden wie Bernd Lucke und Frauke Petry, die das Abdriften der Partei in den Rechtsextremismus nicht mehr mittragen wollten. Auch Lucke und Petry engagierten sich danach in anderen Parteien, ohne Erfolg allerdings.

Das Zentrum hat bundesweit lediglich 500 Mitglieder, es gibt vier Landesverbände und knapp ein Dutzend Stadt- oder Kommunalverbände, zum Beispiel in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Vor einigen Jahren machte die Zentrumspartei mit einem Flyer gegen Schwangerschaftsabbrüche Schlagzeilen, auf dem zerstückelte Föten zu sehen waren. Ein Grundsatzprogram findet sich auf der Website nicht, auch keine Stellungnahmen zu tagespolitischen Fragen. Zu einer Landtagswahl ist sie zuletzt im Mai dieses Jahres in Nordrhein-Westfalen angetreten - und erreichte 0,06 Prozent der Stimmen. Liest man die Pressemitteilung zum damaligen Wahlprogramm, deutet einiges auf ein wirtschaftsliberal-konservatives Profil hin. Meuthen sagte dem ZDF, Aktionen wie der Anti-Abtreibungs-Flyer seien Vergangenheit. Die Partei mit ihrem christlichen Profil passe zu ihm, weil er ein religiöser Mensch sei.

"Sie hat eine ganz, ganz lange Geschichte"

Und er wischt Bedenken beiseite, mit dem Beitritt zum Zentrum begebe er sich in die politische Bedeutungslosigkeit: "Sie hat eine ganz, ganz lange Geschichte, ist aber in der Tat in den letzten Jahrzehnten verdrängt worden und ist heute eine kleine Partei, man kann auch sagen Kleinstpartei. Aber es ist eine sehr, sehr gute Partei mit einem sehr, sehr klaren Wertefundament."

Das klingt, unfreiwillig sicher, nach den Sätzen eines von Meuthens Parlamentskollegen in Straßburg, Martin Sonneborn nämlich, dem Chef der Satirepartei "Die PARTEI". Einer von deren Slogans heißt: "Wählt Die PARTEI. Sie ist sehr gut."

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, die Zentrumspartei habe 300 Mitglieder, das war der Stand von Anfang 2022. Nach Auskunft des Schatzmeisters hat sich die Zahl jedoch inzwischen auf knapp mehr als 500 erhöht.

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