Menschenrechte:Chodorkowski sagt der Politik Ade

Lesezeit: 3 min

Berlin (dpa) - Der russische Regierungsgegner Michail Chodorkowski will sich nach der Begnadigung durch Präsident Wladimir Putin auf keinen Machtkampf mit dem Kreml einlassen. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt kündigte der 50-Jährige in Berlin den Verzicht auf eine politische Karriere an.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Berlin (dpa) - Der russische Regierungsgegner Michail Chodorkowski will sich nach der Begnadigung durch Präsident Wladimir Putin auf keinen Machtkampf mit dem Kreml einlassen. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt kündigte der 50-Jährige in Berlin den Verzicht auf eine politische Karriere an.

„Ich werde nicht Politik betreiben. Der Kampf um die Macht ist nicht mein Ding.“ Er wolle sich aber gesellschaftlich engagieren. Auf einen neuen Rechtsstreit um seinen früheren Konzern Yukos will es der Ex-Milliardär nicht mehr ankommen lassen. Ausdrücklich mahnte er den Westen aber, auch andere politische Häftlinge nicht zu vergessen.

Die nächsten Tage will Chodorkowski weiter in Berlin verbringen. Nach dem Wiedersehen mit seinen Eltern und dem ältesten Sohn erwartet er nun auch seine zweite Ehefrau Inna und die drei gemeinsamen Kinder. Am Sonntag hielten sich diese noch in der Schweiz auf. Er selbst wohnt im Hotel „Adlon“ am Brandenburger Tor. Die Entscheidung über seinen künftigen Aufenthaltsort ließ er offen. „Wo wir leben werden, das werde ich mit meiner Frau besprechen. Das kann ich jetzt nicht allein entscheiden.“ Für Deutschland hat er eine Aufenthaltserlaubnis von einem Jahr.

Chodorkowski machte deutlich, dass er sich eine Rückkehr nach Russland derzeit nicht vorstellen kann. Der ehemals reichste Mann des Landes begründete dies damit, dass er keine Garantien habe, auch wieder ausreisen zu dürfen. Ausdrücklich bedankte er sich bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für die deutsche Unterstützung bei seiner Freilassung aus russischer Lagerhaft. „Sie hat es möglich gemacht, dass ich heute in Freiheit bin.“ Dass sein Flug nach Berlin ging, habe er am Freitag erst in der Luft erfahren.

Beim ersten öffentlichen Auftritt war das Medieninteresse gewaltig. Zahlreiche Fernsehsender aus dem In- und Ausland übertrugen die Pressekonferenz aus dem Mauermuseum am ehemaligen Grenzübergang Checkpoint Charlie live. Als Chef des größten russischen Ölkonzerns Yukos war der Unternehmer zum Milliardär geworden. Nach öffentlicher Kritik an Putin fiel er in Ungnade und kam 2003 in Haft. An der Freilassung wirkte auch der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) mit.

Zu seinen Vermögensverhältnissen äußerte sich Chodorkowski nicht näher. „Ich kenne meine finanziellen Verhältnisse derzeit nicht. Das Geld reicht mir zum Leben.“ Mit Blick auf andere reiche Russen witzelte er: „Fußballvereine werde ich nicht kaufen.“ Trotz Verurteilung und Haft wird sein Vermögen noch auf 200 Millionen Euro geschätzt. Anders als zu Yukos-Zeiten sei er aber nicht mehr in der Lage, als Geldgeber für die Opposition aufzutreten, sagte er. Chodorkowski trat in Anzug, weißem Hemd und mit Krawatte auf. Die halbstündige Pressekonferenz meisterte er souverän.

Auf einen neuen Rechtsstreit um den inzwischen zerschlagenen Ölkonzern Yukos will er sich nicht einlassen. „Ich werde nicht um meine Yukos-Anteile kämpfen“, sagte Chodorkowski. Er habe auch nicht die Absicht, ins Geschäftsleben zurückzukehren. Zur Rolle der Opposition sagte er: „Die Opposition hat derzeit keine starken Perspektiven, aber sie sind viel besser als noch vor zehn Jahren.“ Seine Freilassung sei aber „kein Symbol für grundlegende Veränderung im Land“.

Deutschland und andere westliche Demokratien forderte er auf, sich auch um andere politische Häftlinge zu kümmern. „Ich hoffe sehr, dass die Politiker, wenn sie sich mit Wladimir Putin austauschen, daran denken, dass ich nicht der letzte politische Gefangene in Russland war.“ Gleichzeitig empfahl er dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, dem Beispiel Putins zu folgen und Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko aus der Lagerhaft zu entlassen.

Chodorkowski sprach sich gegen einen Boykott der ersten russischen Olympischen Winterspiele im kommenden Jahr aus. Die Spiele in Sotschi seien ein „Fest des Sports“ für Millionen von Menschen. „Das sollte man nicht verderben.“

Trotz seines Gnadengesuchs betrachtet sich Chodorkowski weiterhin als unschuldig. „Die Macht wollte immer von mir ein Schuldbekenntnis, doch das war unannehmbar für mich.“ Ein Schuldeingeständnis habe er nie unterzeichnet. Von seiner Freilassung habe er am Freitag „um 2 Uhr am Morgen“ im Lager erfahren.

In zwei international umstrittenen Verfahren wurde der Unternehmer unter anderem wegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Öldiebstahls verurteilt. Regulär wäre seine mehrfach reduzierte Haftzeit im August 2014 zu Ende gewesen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: