Maut-Affäre:"Horst, so geht das wahrscheinlich doch gar nicht"

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Der frühere Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) beim Maut-Untersuchungsausschuss. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)
  • Der frühere Bundesverkehrsminister Ramsauer gibt Kanzlerin Merkel und Ex-CSU-Chef Seehofer die Schuld für das Scheitern der Pkw-Maut vor dem Europäischen Gerichtshof.
  • Ramsauer warnte nach eigenen Angaben im Zuge der Koalitionsverhandlungen ausdrücklich auch schon 2013 vor einem juristischen Fiasko.

Von Markus Balser, Berlin

Die Affäre um die geplatzte Pkw-Maut zieht weitere Kreise. Der frühere Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) machte bei einer Zeugenaussage am Donnerstag im Bundestag vor allem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Ex-CSU-Chef Horst Seehofer für das Scheitern des CSU-Prestigeprojekts vor dem Europäischen Gerichtshof verantwortlich. Merkel und Seehofer hätten bereits bei den Koalitionsverhandlungen 2013 "sehenden Auges" Vorgaben zur Maut unterzeichnet, die mit Europarecht absehbar nicht vereinbar gewesen seien. Dabei seien sie vor dem großen Risiko einer einseitigen Benachteiligung von Ausländern gewarnt worden, sagte Ramsauer vor dem Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestages.

Die damals gebildete große Koalition brachte das CSU-Prestigeprojekt per Gesetz später auf den Weg. Ramsauers Aussage als Zeuge gilt deshalb als brisant. Sie widerspricht nicht nur Verkehrsminister Andreas Scheuer, der das Risiko eines Scheiterns der Maut stets als äußerst gering eingestuft hatte. Sie nennt auch klare Schuldige des Debakels. Ramsauer warnte nach eigenen Angaben im Zuge der Koalitionsverhandlungen ausdrücklich auch schon 2013 vor einem juristischen Fiasko.

Zuvor hatte Ramsauer demnach in Brüssel noch als Bundesverkehrsminister ausgelotet, wie weit Deutschland bei der Einführung der umstrittenen Pkw-Maut gehen könne. Mit dem damaligen EU-Verkehrskommissar Siim Kallas habe er im November 2013 Formulierungen abgesprochen, die auch die Kommission als europarechtskonform einschätzte. So sollten zwar ausländische Autohalter stärker belastet, aber nicht alle deutschen von der Maut befreit werden, sagte Ramsauer am Donnerstag. Demnach hätte es in Deutschland Gewinner und Verlierer geben müssen, also auch Autofahrer, die bei der Maut draufzahlten. Dies habe er so auch in die Berliner Verhandlungen eingespeist.

Dort aber seien seine Empfehlungen entscheidend abgewandelt worden. Er sei in die Vorgänge nicht involviert gewesen. Kanzlerin Merkel habe gewusst, dass die gewählte Formulierung "rechtlich höchst risikobehaftet" gewesen sei, sagte Ramsauer am Donnerstag. Auch Ex-CSU-Chef Seehofer habe dieses Risiko billigend in Kauf genommen. Ausgangspunkt der problematischen Formulierung war das Versprechen der Kanzlerin, sie unterstütze keine Maut, bei der Deutsche draufzahlen. So sah es dann auch der von Merkel, Seehofer und Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel unterzeichnete Koalitionsvertrag vor. Dort hieß es, Maßgabe für die Maut sei, "dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute".

Er selbst habe Merkel und Seehofer damals darauf hingewiesen, dass die Formulierungen sehr risikoreich sei, sagte Ramsauer. Dem CSU-Chef sagte der Ex-Verkehrsminister nach eigener Erinnerung: "Horst, so geht das wahrscheinlich doch gar nicht." Die Parteivorsitzenden hätten die Vereinbarung dennoch unterzeichnet. Mit Gabriel habe er nicht über die Risiken gesprochen, sagte Ramsauer. Der warnende Verkehrsminister verlor damals sein Amt, im neuen Kabinett fand er keine Berücksichtigung. Sein Nachfolger wurde Alexander Dobrindt, der die Maut, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, umsetzen wollte.

Ramsauer nahm seine Nachfolger in der Vernehmung mehrfach in Schutz. Sie hätten umsetzen müssen, was ihnen die Parteichefs 2013 eingebrockt hätten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte die deutsche Pkw-Maut im vergangenen Sommer gestoppt. Sie sei diskriminierend für die Halter und Fahrer aus anderen EU-Ländern.

© SZ vom 14.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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