Mängelliste der Bundeswehr:Fallschirmjägern fehlen Sturmgewehre und Nachtsichtgeräte

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Bei der Bundeswehr gibt es nicht nur Probleme beim Großgerät. Den Fallschirmjägern in Zweibrücken fehlen Sturmgewehre und Nachtsichtgeräte. Dabei sollen gerade diese Soldaten schnell einsatzbereit sein.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Bei der Bundeswehr gibt es offenbar nicht nur beim Großgerät Materialprobleme, sondern zumindest teilweise auch bei Handwaffen und Ausrüstung wie etwa Nachtsichtgeräten. Nach einer als Verschlusssache eingestuften internen Übersicht fehlt beim Fallschirmjägerbataillon 263 in Zweibrücken entscheidendes Material oder funktioniert nicht.

Nach Angaben der Rheinpfalz, die zuerst über diese Liste berichtete, schafft dies vor allem in der Ausbildung Probleme. Aus der Liste geht hervor, dass statt eines Solls von 264 Gewehren G36 K nur 26 einsatzbereit sind. Es handelt sich dabei um eine von Fallschirmjägern genutzte Spezialvariante des Standard-Sturmgewehrs G36 . Bei den Maschinengewehren MG3 und MG4 sind lediglich 22 und 20 Prozent des vorgesehenen Solls einsatzbereit. Vom Bundeswehr-Standardgewehr G36 hingegen stehen sogar mehr Waffen zur Verfügung als vorgesehen.

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Das Fallschirmjägerbataillon 263 mit insgesamt ungefähr 1000 Soldaten gehört zur Luftlandebrigade 26, die wiederum zur Division Schnelle Kräfte gehört. Zu den Aufgaben des Bataillons gehören unter anderem die Rettung deutscher Staatsbürger aus Krisengebieten und der Schutz von Personen etwa gegen Terroristen. Das Bataillon kann die Spezialkräfte der Bundeswehr unterstützen. Es handelt sich also um eine Einheit, die im Krisenfall äußerst schnell reagieren muss. Wenn Material fehlt, ist das hier besonders heikel. Zudem mangelt es den Fallschirmjägern aus Zweibrücken derzeit auch an Nachtsichtgeräten: Hier sind lediglich etwa 30 Prozent des vorgesehenen Solls einsatzbereit.

Kommandeur sieht Einsatzbereitschaft sichergestellt

Der Kommandeur der Division Schnelle Kräfte, Brigadegeneral Eberhard Zorn, sagte auf Anfrage: "Die Zahlen im Grundsatz kann ich als aktuelle Bestandsaufnahme so bestätigen." Allerdings greife die Betrachtung zu kurz, wenn man sich nur das einzelne Bataillon ansehe - schließlich gehörten drei Bataillone zur Luftlandebrigade 26. Wenn es einen Auftrag gebe, sei durch Mechanismen für den Austausch von Material jederzeit sichergestellt, dass man in den Einsatz gehen könne.

Zum Mangel an der Spezialwaffe G36K sagte Zorn: "Da haben wir insgesamt zu wenig, das muss ich klar so sagen." Dieses "Delta zwischen Soll und Ist" sei "so nicht befriedigend". Allerdings gleiche man diesen Mangel durch die hohe Zahl an Gewehren des Typs G36 aus. Das G36K hat einen kürzeren Lauf als die Standardwaffe und wird von Spezialisten verwendet.

Zum Maschinengewehr MG3 sagte er, es stehe "am Ende seiner Nutzungsdauer". Allerdings sei dieser Mangel "natürlich trotzdem eine schwierige Situation". Darüber hinaus verwies er auf die Auswirkungen der Bundeswehrreform, durch die sich die Zahl der Soldaten in der Brigade verringern werde. Das Material werde dann neu verteilt und das Defizit automatisch kleiner werden. Zum Mangel an Nachtsichtgeräten sagte Zorn, man warte hier noch auf Geräte, die aus Afghanistan zurückgebracht werden sollten. Insgesamt entstünden durch das Fehlen der Waffen und Geräte keine Probleme in der Ausbildung selbst, sondern in deren Organisation: Das vorhandene Material werde zwischen den Bataillonen jeweils nach Bedarf verteilt.

SPD-Verteidigungsexperte stellt Grundsatz "Breite vor Tiefe" infrage

Dennoch könnte die Diskussion über das Material der Bundeswehr durch die Zahlen noch einmal neue Nahrung bekommen. In den vergangenen Wochen waren nach und nach erhebliche Mängel vor allem bei Hubschraubern und Flugzeugen bekannt geworden. Auch die Infrastruktur der Bundeswehr ist zu großen Teilen marode. So berichtete Verteidigungs-Staatssekretär Gerd Hoofe am Mittwoch im zuständigen Bundestagsausschuss nach Angaben von Teilnehmern von einer Übersicht, nach der etwa die Hälfte der Unterkünfte sich in einem schlechten Zustand befinde oder nicht nutzbar sei. Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte sich vor knapp drei Monaten bei einem Besuch der Marine am Standort Eckernförde erschrocken über die dortigen Unterkünfte gezeigt.

Von der Leyen ging in der Sitzung des Verteidigungsausschusses nochmals auf jenes Gutachten zum Beschaffungswesen des Ministeriums ein, das ihr ein Konsortium aus Beratern, Ingenieuren und Anwälten am Montag übergeben hatte. Nach Angaben von Teilnehmern bat sie sich Zeit aus, bis sie Konsequenzen aus der Studie präsentieren könne. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold stellte laut Teilnehmern abermals den Grundsatz "Breite vor Tiefe" infrage, wie er der laufenden Reform der Bundeswehr zugrunde liegt. Nach diesem Grundsatz soll die Bundeswehr auch künftig alle militärischen Fähigkeiten beherrschen, statt sich zu spezialisieren.

© SZ vom 09.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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