Das Problem für Autobauer und Mobilitätsanbieter lässt sich schnell beschreiben: Reisen ohne "triftigen Grund" sind untersagt, wegen Corona. Und viele Menschen zögern ohnehin, ob sie gerade Geld ausgeben sollen für Reisen und Autos, jetzt, wo doch alles so unsicher ist. In der Folge ist der Fahrzeugverkauf in Deutschland um die Hälfte eingebrochen; Flugzeuge und Bahnen sind leer oder stehen still.
Die große Frage lautet deshalb: Sollen diese Unternehmen nun Staatshilfe bekommen? Soll sich der Staat sogar an Firmen beteiligen, um sie zu stützen? Eine einfache Antwort gibt es darauf nicht.
Wer die Äußerungen zweier maßgeblicher Konzernlenker in den vergangenen Tagen verfolgt hat, mag den Kopf schütteln - nicht ganz zu Unrecht, angesichts der Chuzpe, mit der die Wünsche vorgetragen wurden. Da war Lufthansa-Chef Carsten Spohr, der zehn Milliarden Euro vom Staat braucht, gleichzeitig aber über die Entlassung von zehntausend Mitarbeitern spricht und sich ja nicht in die Unternehmensführung hineinreden lassen will. Da ist Volkswagen-Chef Herbert Diess, der staatliche Kaufanreize fordert und zugleich stolz vom Milliardengewinn der von ihm geführten Firmen erzählt und gerne auch Gewinne an seine Aktionäre ausschütten will. Am Dienstag, bei einem Autogipfel der Bundesregierung, wird er das wohl wieder vortragen. Und schließlich gibt es die Deutsche Bahn, die ebenfalls zehn Milliarden Euro benötigt; nicht mitgerechnet Dutzende regionaler Verkehrsbetriebe, denen leere Busse und Bahnen zu schaffen machen.
Aber haben nicht so ziemlich alle Branchen seuchenbedingt massive Einnahmeausfälle, abgesehen vielleicht von Brennereien für Reinigungsbenzin? Ein gewichtiger Einwand angesichts begrenzter Mittel. Und doch gibt es starke Argumente, dem Verkehrssektor zu helfen. Zuvorderst: Das Herumfahren und Reisen mag schädliche Klimagase verursachen, Ressourcen verbrauchen und Keime verschleppen. Aber Reisen ist eine wunderbare Errungenschaft, es bringt Menschen zusammen, Kulturen und Waren. Mobilität möglichst vielen Menschen einigermaßen unkompliziert und sicher zu ermöglichen, muss das Ziel jeder freien Gesellschaft sein.
Die Leitfrage muss sein: Wie soll man sich künftig idealerweise fortbewegen?
Die Dienstleistungen und Fabriken, die diesem Ziel dienen, beschäftigen allein in Deutschland Hunderttausende Menschen. Die Bahn und andere Verkehrsbetriebe, die Lufthansa und Condor, Volkswagen, Daimler, Opel und BMW, die Fahrkartenverkäufer und Schraubenhersteller - alle tragen dazu bei, bringen Wertschöpfung und Jobs, auch in den angegliederten Betrieben und Zulieferfirmen. Viele Unternehmen in dieser großen Nahrungskette haben jetzt zu kämpfen. Der Staat sollte helfen, sie zu erhalten.
Aber die Politik muss dabei die große Perspektive behalten - und darf nicht den lautesten Rufern und deren Individualinteressen folgen. Wie soll man sich künftig idealerweise fortbewegen? Das muss die Leitfrage sein. Darauf gab es vor der Pandemie eine Antwort, die mehr gilt denn je: Möglichst schnell sollen die schädlichen Klimagase runter, vor allem das Kohlendioxid. Und das Fortkommen muss besser abgestimmt ablaufen, in den Städten, zwischen den Städten. Bevor das Virus kam, war der Verkehr einem Infarkt nahe, auf den Straßen, der Schiene und in der Luft. Völlig zu Recht hat die EU-Kommision deshalb vorgegeben: Jeder Euro, der investiert wird, muss in eine neue und klimafreundliche Wirtschaft gehen anstatt in alte Strukturen.
Autos dürften bald wieder nachgefragt werden
Wer die Ziele Bewegungsfreiheit, Umweltschutz und das Wohl von Unternehmen und Arbeitnehmern übereinanderlegt, stellt fest, dass sich durch die Seuche wenig geändert hat: Staatsgeld, das dem Erhalt und Ausbau von klimaschonendem Massentransport dient, ist kein "Albtraum für den Steuerzahler", wie es die FDP mit Blick auf die Deutsche Bahn formuliert. Sondern es sind gut angelegte Mittel, zumal Busse und Bahn meist Firmen der öffentlichen Hand sind. Ein starkes Schienennetz kann unsinnige Flüge innerhalb Deutschlands ersetzen - was die Lufthansa hinnehmen muss. Notfalls im Streit mit Aufsichtsräten des künftig beteiligten Staates.
Und die Autos? Die dürften bald wieder nachgefragt werden. Viele besorgte Menschen wollen in Seuchenzeiten lieber im eigenen Wagen sitzen. Das zeigen Umfragen, das zeigt der schon wieder deutlich erholte Markt China. Nun ist diese wichtige Branche ohnehin schon unter Anspannung wegen des Technologiewandels, deshalb sollte eine Unterstützung nicht völlig ausgeschlossen sein. Aber wenn der Staat hilft, muss das strikt an Klimavorgaben gebunden sein. Eines darf man dabei nicht außer Acht lassen: die soziale Fairness als weiteres Staatsziel. Kaum ein Normalverdiener kauft sich einen fabrikneuen BMW, Mercedes oder Audi, Corona-Hilfe hin oder her. Kaufprämien würden vor allem Besserverdienenden zugutekommen.