Lösung der Euro-Krise:Raus aus den Teufelskreisen

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Es naht der Zeitpunkt in dieser Euro-Krise, wo den Europäern ein letztes Urteil abverlangt wird: eine wirkliche Festlegung, auf welcher Seite der Rettungs-Philosophien man am Ende stehen will. Auch Deutschland reicht es nicht mehr, dagegen zu sein. Es muss sich entscheiden, wofür es ist - selbst wenn nur schlechte und sehr schlechte Optionen zur Wahl stehen.

Stefan Kornelius

Die für die Sommertage zuständigen politischen Meinungsführer in Deutschland haben inzwischen unzweideutig klargemacht, wogegen sie sind in Sachen Euro-Rettung: gegen Interventionen der Europäischen Zentralbank, gegen eine Bankenlizenz für den Rettungsfonds, gegen zusätzliche Hilfe für Griechenland. Sie sind auch gegen Treffen von Mario Monti und François Hollande, weil sie eine Verschwörung wittern. Und sie empören sich über den Besuch des US-Finanzministers bei der EZB, weil allein die physische Präsenz des Amerikaners die Unabhängigkeit der Bank gefährden könnte.

Deutschen stünde es gut an, sich in die katastrophale Lage eines Spaniers, Italieners oder Griechen (im Bild: eine zerstörte Hausfassade in Athen) zu versetzen. In allen Ländern ist der Reformdruck immens, überall herrscht ein Gefühl schreiender Ungerechtigkeit, unter anderem dem reichen Deutschland gegenüber. (Foto: dpa)

Die Wahrheit ist: Keiner ist mehr unabhängig in dieser Krise, und es naht der Zeitpunkt, wo ein letztes Urteil abverlangt wird, eine wirkliche Festlegung, auf welcher Seite der Rettungs-Philosophien man am Ende stehen will. Es reicht also nicht mehr aus, stets dagegen zu sein - es stellt sich nun die Frage, wofür man ist.

Zwei Teufelskreise behindern zur Zeit jede Lösung der Krise, beide haben mit Vertrauen zu tun. Die Märkte kaufen den Krisenstaaten ihre Anleihen nur zu hohen Zinssätzen ab, weil sie befürchten, ihr Geld nie wieder zu sehen. Und die solventen Staaten (wie Deutschland) wollen für die Schuldner nicht bürgen, weil sie an deren Reformbereitschaft zweifeln.

Beide Teufelskreise werden von einem gewaltigen Maß an Irrationalität genährt. Die hat sich in den vergangenen Tagen in schrillen politischen Vorwürfen entladen - woran sich ablesen lässt, wie gereizt und voller nationaler Ressentiments inzwischen die Atmosphäre ist. Die Rettung wird dadurch nicht leichter.

Nationale Ressentiments führen zu nichts

Dem deutschen Publikum stünde es gut an, sich für einen Moment in die katastrophale Lage eines Spaniers, Italieners oder Griechen zu versetzen. In allen Ländern ist der Reformdruck immens, überall herrscht ein Gefühl schreiender Ungerechtigkeit sowohl gegenüber den Finanzeliten des Landes als auch gegenüber dem reichen Deutschland, das nur noch als kaltherzige Maschine wahrgenommen wird (die nebenbei an der Krise nicht schlecht verdient).

Die Politik in diesen Ländern spürt, dass sie den Reformdruck nicht länger gesellschaftsverträglich aufrechterhalten kann. In diesen Momenten entsteht der Wunsch nach einer Rettungsagentur mit einer Banklizenz. In diesem Moment wächst der Zorn auf ein Verfassungsgericht, das offenbar als einziges Rechtsorgan auf dem Kontinent Zweifel an der Demokratietauglichkeit der Euro-Rettung hat und sich mit seiner Prüfung so viel Zeit lässt, dass es im September zu einer gefährlichen Verdichtung von Rettungs-Terminen kommen wird. In diesem Moment entstehen Formulierungen, wonach Deutschland dieses Rest-Europa wie eine Filiale behandele.

Umgekehrt ist es verständlich, dass sich das deutsche (und niederländische, und österreichische und finnische) Publikum eingekreist fühlt und Sicherheiten verlangt für sein Geld: Der Reform-Katalog ist noch lang, die Gefahr eines Rückfalls in die alte Ausgaben-Mentalität ist hoch, die Kontrolle und Eindämmung der Banken im Zentrum der Krise bei weitem nicht sicher.

In all seiner Unbarmherzigkeit erzwingt der Kalender für die Ausgabe von Staatsanleihen dennoch eine Entscheidung. Deutschland muss sich also festlegen, wofür es ist, nicht wogegen.

Zur Wahl stehen schlechte und sehr schlechte Optionen. Sie sind zum Teil berechenbar in Euro und Cent, zum Teil nicht, weil politische Kosten kein Preisschild tragen. Ein kurzes nationales Triumphgefühl kann in bitterer politischer Isolation und gefährlicher europäischer Balance-Politik enden, die seit Otto von Bismarck schon immer böse geendet hat.

Die ganz schlechte Option wäre also der Zusammenbruch des europäischen Währungssystems. Ob dazu bereits der Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone gehört, lässt sich trefflich diskutieren. Angesichts der - gemessen am Gesamtproblem - lächerlichen Kosten einer Stützung Griechenlands, betreiben die Rauswurf-Apologeten allemal nur politische Selbstbefriedigung. Zu mehr als zur Wutentladung dient diese Operation nicht.

Eine nachhaltige Genesung Europas erfordert Vertrauen

Die schlechte Option hat mit der Intervention der Zentralbank zu tun. Weil eine Banklizenz nur mit einer Vertragsänderung eingeführt werden kann und dafür weder Zeit noch politische Energie zu finden sind, muss die EZB also direkt intervenieren. Die Politik muss dabei alle Mechanismen ausnutzen, um die Krisenstaaten nicht aus der Pflicht zur Reform zu entlassen, die unabdingbar ist für eine nachhaltige Genesung Europas.

Dazu braucht es Vertrauen zwischen den Staaten. Wenigstens das sollten die Völker Europas und ihre politischen Anführer noch aufbringen.

© SZ vom 02.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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