Libyen, Westerwelle und Deutschlands Enthaltung:Der Krisen-Profileur

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Gaddafi geht mit mörderischer Härte gegen sein eigenes Volk vor. Kann da Enthaltung eine deutsche Position sein? Nein. Doch Guido Westerwelle will um jeden Preis außenpolitisches Profil gewinnen - sogar um den Preis der internationalen Isolation.

Thorsten Denkler

Der Außenminister sagt es selbst zu Beginn seiner Regierungserklärung im deutschen Bundestag. Von den 15 Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates haben sich lediglich Russland, China, Indien, Brasilien und - tja - und Deutschland enthalten. Zugestimmt haben der Libyen-Resolution neben den USA auch die drei anderen europäischen Länder im Sicherheitsrat: Frankreich, Großbritannien und Portugal.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle zeigt in der Frage des Vorgehens gegen Gaddafi eine zutiefst populistische Haltung. (Foto: REUTERS)

Die Resolution erlaubt neben wirtschaftlichen Sanktionen auch, eine Flugverbotszone über Libyen einzurichten. Noch heute könnten Kampfflugzeuge auch europäischer Länder versuchen, die libysche Luftwaffe daran zu hindern, weiter Landsleute zu bombardieren - wenn sich die Ankündigung der libyschen Regierung eines sofortigen Waffenstillstands als Finte des Tricksers Gaddafi entpuppen sollte.

Eines ist klar: Eine Flugverbotszone ist ein massiver Eingriff in die nationale Souveränität Libyens. Krieg wäre dafür das richtige Wort. Die Gegner des libyschen Despoten Muammar al-Gaddafi haben gejubelt, als sie die Nachricht von der UN-Entscheidung erreichte. Die Luftüberlegenheit Gaddafis macht es ihnen nahezu unmöglich, den seit 42 Jahren regierenden Revolutionsführer zu stürzen.

Gaddafi geht mit mörderischer Härte gegen sein eigenes Volk vor. Dass er nicht mehr für das libysche Volk spricht, hat auch Westerwelle deutlich gemacht. Kann da Enthaltung eine deutsche Position sein?

Keine Enthaltung gegenüber Despoten

Nein. Deutschland hätte zustimmen müssen. Gegenüber Despoten gibt es keine Enthaltung. Westerwelle argumentiert erschreckend naiv, wenn er erklärt, es gebe so viele Brandherde auf der Welt. Er nennt Sudan, Bahrain und die Elfenbeinküste. Da könne Deutschland nicht überall helfen, auch "wenn es einem das Herz bricht", so der FDP-Chef.

Nicht überall helfen zu können aber kann nicht bedeuten, gar nicht zu helfen. Libyen ist zudem ein direkter Nachbar der Europäischen Union. Dem Land kommt schon allein damit eine strategische Bedeutung zu. Dem deutschen Außenminister und Vizekanzler scheint das egal zu sein.

Flugverbotszone über Libyen
:Hoffnung für Bengasi

Nach dem Beschluss des UN-Sicherheitsrates für eine Flugverbotszone über Libyen feiern die Menschen in der Rebellenhochburg Bengasi. Die Regierung in Tripolis scheint plötzlich zu einem Waffenstillstand bereit zu sein.

Die Ziele der internationalen Staatengemeinschaft sind klar definiert: Gaddafi muss aufgeben und vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gebracht werden. Mit einem Ja im Sicherheitsrat wäre Deutschland an der Seite derer, die den Druck auf Gaddafi entscheidend erhöhen. Die zehn Nationen, die zustimmten, folgen dem Hilferuf der Libyer.

Der libysche Außenminister Moussa Kusa verkündet den sofortigen Waffenstillstand. Ob die Ankündigung eingehalten wird oder ob es sich um eine Finte von Muammar al-Gaddafi handelt, bleibt offen. (Foto: dpa)

Westerwelle aber will es bei Sanktionen belassen. Die werden Gadaffi nicht sonderlich beeindrucken. Ruprecht Polenz (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, hat Recht, wenn er in der Debatte nach der Regierungserklärung sagt: "Da klafft eine operative Lücke."

Eine zutiefst populistische Haltung

Deutschland befindet sich in einem Superwahljahr. In Baden-Württemberg steht die Zukunft von Schwarz-gelb auf der Kippe. Ausgerechnet jetzt ist Westerwelle offenbar nicht gewillt, in Libyen operative Lücken zu schließen. Es ist eine zutiefst populistische Haltung, für die er sogar in Kauf nimmt, sich im Bundestag von der Linken als Held feiern zu lassen.

Westerwelle hat in den vergangen Monaten gelernt, dass es besser für ihn ist, innenpolitisch zu schweigen und außenpolitisch seinen Job zu machen. Die Bilder vom Tahrir-Platz in Kairo haben ihm geholfen. Die Menschen dort haben Westerwelle zugejubelt. Das waren leichte Punkte.

Jetzt aber geht es um mehr als warme Worte. Es geht darum, außenpolitische Verantwortung zu übernehmen. Aber Westerwelle duckt sich weg. Das mag beim Wähler ankommen. Glaubwürdig ist das nicht.

Zumal auch Deutschland im Ernstfall - wenn der angekündigte Waffenstillstand nicht halten sollte - wohl kaum umhinkommen würde, sich zumindest indirekt an einem möglichen Nato-Einsatz über Libyen zu beteiligen.

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