Libyen:Todesurteil gegen Gaddafis Sohn

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Saif al-Islam, hier im Mai 2014, wird von Milizen in Sintan festgehalten und wurde per Video zugeschaltet. (Foto: Stringer/Reuters)

Saif al-Islam soll von einem Erschießungskommando in Libyen hingerichtet werden. Doch der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen kritisiert das Gerichtsverfahren.

Von Paul-Anton Krüger und Ronen Steinke, Kairo

Ein Gericht in Libyens Hauptstadt Tripolis hat am Dienstag Saif al-Islam al-Gaddafi zum Tode verurteilt und mit ihm acht weitere hochrangige Funktionäre des früheren Regimes. Sie wurden wegen Kriegsverbrechen während des Aufstandes gegen Diktator Muammar al-Gaddafi 2011 schuldig gesprochen, dessen zweiter Sohn Saif al-Islam ist. Unter anderem hatte ihnen die Staatsanwaltschaft vorgeworfen, für die Tötung von Demonstranten verantwortlich zu sein. Nach dem Urteil sollen auch Gaddafis Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi und Premier Baghdadi al-Mahmoudi durch ein Erschießungskommando hingerichtet werden. Acht weitere der 37 Angeklagten erhielten lebenslange Haft.

Der UN-Menschenrechtsrat zeigte sich zutiefst beunruhigt: "Wir haben die Haft und den Prozess genau verfolgt und festgestellt, dass internationale Standards verletzt wurden", hieß es. Die Arbeit der Verteidigung sei behindert und die individuelle Schuld der Angeklagten nicht festgestellt worden. Ähnlich äußerten sich unabhängige Menschenrechtsorganisationen. Die Verurteilten können Berufung einlegen, auch müsste der Oberste Gerichtshof die Urteile bestätigen. Doch durch den Bürgerkrieg ist der Fortgang des Verfahrens unsicher.

Das Gericht tagte in Tripolis, das von einem Bündnis zumeist islamistischer Milizen kontrolliert wird. Saif al-Islam al-Gaddafi aber wird seit 2011 von lokalen Milizen in der westlibyschen Stadt Sintan festgehalten. Er wurde in Abwesenheit verurteilt. Zu Beginn des Prozesses im April 2014 wurde er zwar noch per Video in den Gerichtssaal zugeschaltet, jedoch nicht mehr, nachdem das Land in einen neuen Bürgerkrieg gerutscht war. Die Sintan-Milizen lehnten es ab, ihn zu überstellen, weil sie angeblich befürchteten, dass er freikommen könnte.

Im Regime des Vaters hatte Saif al-Islam zwar kein offizielles Amt inne. Er galt aber als einflussreichste Person im Führungszirkel des Diktators und als dessen designierter Nachfolger. Den Aufständischen in Libyen drohte Saif mit "Flüssen voller Blut".

Ungeachtet des Prozesses in Libyen beschuldigt ihn auch der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag, Drahtzieher von Morden und systematischen Gräueln gegen Demonstranten und Aufständische gewesen zu sein; strafbar als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der ICC kam bereits im Februar 2011 ins Spiel - noch vor der Militärintervention der Nato, die es den Rebellen im Sommer ermöglichte, das Regime zu stürzen. Der UN-Sicherheitsrat entschied, dem Gerichtshof ein Mandat für Ermittlungen zu erteilen - also bloß mit dem Mittel der juristischen Abschreckung zu intervenieren. Die Weltjustiz spielte dann aber eine höchst umstrittene Rolle.

Während die Nato kritisiert wurde, sie überdehne ihr UN-Mandat, weil sie einen Regimewechsel anstrebe, erließ der unabhängige Gerichtshof, ganz im Sinne der Nato, Haftbefehle gegen die Spitzen des Regimes und brandmarkte sie als Menschheitsverbrecher. Eine Amnestie war ausgeschlossen - und damit auch ein politischer Ausweg für den Gaddafi-Clan. Der Diktatorensohn ist der einzige Beschuldigte, der je ausdrücklich gebeten hat, nach Den Haag ausgeliefert zu werden. Als die Rebellen ihn jagten, hoffte er, so sein Leben retten zu können. In Den Haag gibt es keine Todesstrafe. Dabei kam ihm der ICC entgegen und verlangte seine Auslieferung. Bislang erfolglos.

© SZ vom 29.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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