Bürgerkrieg in Libyen:Gaddafi-Sohn kündigt Sturm auf Bengasi an

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Dauerbeschuss und Säbelrasseln in Libyen: Einer der Söhne von Machthaber Gaddafi kündigt den baldigen Sturm auf die Rebellenhochburg Bengasi an - während die Aufständischen immer verzweifelter um Hilfe rufen.

Die Streitkräfte des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi haben erneut Stellungen der Rebellen im Osten und Westen des Landes angegriffen, mussten aber offenbar auch Verluste hinnehmen.

Die Kämpfe zwischen Gaddafi-Truppen und Aufständischen gehen im Osten und Westen des Landes weiter. (Foto: REUTERS)

Derweil behauptete Gaddafis Sohn Saif al-Islam in einem Interview mit dem TV-Sender Euronews, die Regierungstruppen stünden kurz davor, das gesamte Land wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Er sagte: "Die Militäroperationen sind vorbei. In 48 Stunden ist alles beendet". Der Sturm auf die Stadt Bengasi, in der sich eine Übergangsregierung der Rebellen etabliert hatte, stehe in Kürze bevor. Den Regimegegnern, die er "Verräter" nannte, riet Saif al-Islam, mit ihren Familien nach Ägypten auszuwandern: "Wir wollen niemanden töten, wir wollen keine Rache, sie sollen gehen."

Der Sohn von Oberst Gaddafi schimpfte auch auf den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Er nannte ihn "einen Clown, dessen Wahlkampf Libyen finanziert hat". Sakrozy solle für den Wahlkampf im Jahr 2007 Spenden aus Libyen erhalten haben. "Wir haben alle Details und sind bereit, alles publik zu machen", sagte Saif al-Islam. Ein Sprecher Sarkozys wies die Behauptungen umgehend zurück.

Gaddafi selbst sagte in der Nacht vor Anhängern in Tripolis, er werde die libyschen Öl-Reserven gegen Frankreich, Großbritannien und die USA verteidigen. Diese Länder wollten Libyen ausbeuten, so wie einst die Kolonialmächte.

Die Lage in den umkämpften Gebieten war am Mittwoch unübersichtlich. Die Stadt Adschdabija im Osten lag unter Dauerbeschuss der Gaddafi-Truppen. Der frühere Innenminister Abdulfattah Junis, der sich den Rebellen angeschlossen hat, sagte allerdings im Nachrichtensender al-Arabija, die "Revolutionäre" hätten in der Stadt Dutzende von Soldaten getötet und mehrere Dutzend Soldaten gefangen genommen. Am Nachmittag erklärten die Truppen Gadaffis, die Stadt unter ihrer Kontrolle zu haben.

In der ebenfalls im Osten gelegenen Stadt Tobruk hat sich nach Angaben von Rebellen eine Einheit der Regierungstruppen ergeben.

Zugleich gingen die Kämpfe um die im Westen gelegene Stadt Misurata weiter. Den Aufständischen zufolge wurde sie von drei Seiten mit Panzern und Artillerie beschossen. Dabei seien vier Menschen getötet und rund ein Dutzend weitere verletzt worden. Gaddafis Truppen sei es aber bislang nicht gelungen, in die Stadt einzudringen.

Ein Sprecher der Rebellen warf dem Westen vor, untätig zuzusehen, wie Gaddafis Einheiten vorrückten. "Die Menschen haben genug. Sie warten ungeduldig auf internationale Schritte", sagte Sadun al-Misrati. "Gaddafi nutzt das Zögern der internationalen Gemeinschaft aus. Die Menschen sind sehr wütend, dass nichts gegen Gaddafis Waffenarsenal unternommen wird."

Angesichts der anhaltenden Gewalt drängen Großbritannien, Frankreich und die arabischen Staaten im UN-Sicherheitsrat weiter auf eine Flugverbotszone über Libyen. Am Mittwoch sollte in dem Gremium über einen neuen Resolutionsentwurf der beiden europäischen Staaten und des Libanon beraten werden, der nach Angaben von Diplomaten "alle Flüge" über Libyen verbieten und "alle notwendigen Mittel, um dies durchzusetzen" erlauben sollte. Diplomaten rechneten allerdings nicht vor Donnerstag mit einer Abstimmung. Die Außenminister der größten Industriestaaten G 8 hatten sich am Dienstag bei einem Treffen in Paris nicht auf eine Flugverbotszone einigen können.

Die Stadt Bengasi ist noch in der Hand der Aufständischen. Doch Gaddafi-Truppen sollen schon auf dem Weg sein. (Foto: AFP)

Der erste Teil des UN-Resolutionsentwurfs, in dem die Flugverbotszone gefordert wird, stammt vom Libanon. Das Land agiert im UN-Sicherheitsrat als Vertreter der Arabischen Liga, die bereits am Samstag eine Flugverbotszone über Libyengefordert hatte. Der zweite Teil des Resolutionsentwurfs wurde von Großbritannien und Frankreich geschrieben. Darin geht es um härtere Sanktionen gegen Machthaber Gaddafi und sein Umfeld. Im UN-Sicherheitsrat gelten vor allem China und Russland als Gegner einer Flugverbotszone. Aber auch die USA und Deutschland haben sich skeptisch gezeigt.

Gaddafi lobte Deutschland für diese Ablehnung. Dagegen appellierten die Aufständischen in Libyen eindrücklich an die Bundesregierung, die Vorbehalte gegen ein Flugverbot aufzugeben. Andernfalls werde es weitere Tote geben.

Die Bundesregierung hat dafür keine Mehrheit in der Bevölkerung. Die große Mehrheit von 88 Prozent der Bundesbürger ist einer Umfrage zufolge zwar gegen eine militärische Intervention in Libyen mit deutscher Beteiligung. Doch 56 Prozent der Befragten halten die Flugverbotszone für richtig, wie eine repräsentative Forsa-Umfrage des Magazins Stern ergab. Außenminister Guido Westerwelle hatte jedoch mehrfach deutlich gemacht, dass die Einrichtung und Kontrolle einer Flugverbotszone in eine kriegerische Auseinandersetzung münden könnte.

Westerwelle lehnt Flugverbot weiter ab

Am Mittwoch bekräftigte Westerwelle diese Haltung in einer Regierungserklärung: "Wir wollen und dürfen nicht Kriegspartei in einem Bürgerkrieg in Nordafrika werden". Zugleich wies Westerwelle die Avancen Gaddafis gegenüber Deutschland zurück. "Der Diktator muss gehen", sagte er. Die "vergifteten Freundlichkeiten" änderten nichts an dieser Einstellung.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich, kritisierte die Ablehnung des Flugverbots. Wenn die internationale Gemeinschaft gemeinsam handeln wolle, dürfe man nicht im Vorfeld schon einzelne Instrumente ablehnen, sagte er. Auch Grünen-Fraktionsvize Frithjof Schmidt betonte, dass alle Optionen aus der UN-Charta geprüft werden müssten, auch wenn ein Militäreinsatz - ein UN-Mandat vorausgesetzt - die Ultima Ratio sei.

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