Libyen: Alliierte rücken von Kriegsziel ab:Gaddafi muss gehen

Plötzlich kann sich der Westen vorstellen, dass Gaddafi in Libyen bleibt. Doch wer glaubt, dass er klaglos den Weg für die Demokratie freimacht, unterschätzt seine kriminelle Energie. Man kann darüber streiten, ob der Militäreinsatz klug war. Ihn so jämmerlich zu beenden, das würde die arabische Welt - zu Recht - als Verrat begreifen.

Sonja Zekri

Vor vier Monaten hat der Westen sein Engagement in Libyen begonnen. Anfangs ging es gemäß dem UN-Mandat 1973 um den Schutz der Zivilisten, etwas später darum, den Aufständischen den Weg nach Tripolis frei zu bomben. Schließlich gaben Nato-Generale zu, dass sie den libyschen Diktator Gaddafi persönlich jagen.

Gaddafi, so hieß es in Paris und London, werde entweder getötet - oder mit internationalem Haftbefehl eingesperrt. Selbst die Vertreibung in einen afrikanischen Schurkenstaat, der ihn nicht sofort nach Den Haag ausliefern würde, erschien wie unzulässige Milde.

Plötzlich aber kann sich der Westen einen friedlichen Lebensabend des Diktators in Libyen vorstellen. Das aber ist, vorsichtig ausgedrückt, unmöglich. Gewiss, den Alliierten gehen Munition und Geld und die öffentliche Begeisterung für die Rebellen aus.

Aber wer glaubt, dass sich Gaddafi klaglos in die innere Emigration zurückziehen würde, um den Weg für die Demokratie freizumachen, der unterschätzt seine kriminelle Energie und sein Selbstverständnis als Schöpfer Libyens. Gaddafi würde vielmehr als Bezwinger des Westens und der aufständischen "Kakerlaken" triumphieren.

Tunesien und Ägypten zeigen, wie schwer der Wandel ist, wenn der Aufstand siegt. Mit einem aus der Macht nur hinauskomplimentierten Gaddafi wäre er aber unmöglich. Und der Westen wäre nicht nur blamiert, er hätte wieder einmal einen Kompromiss mit einem Tyrannen geschlossen.

Man kann darüber streiten, ob der Militäreinsatz klug war. Ihn aber nach so viel Aufwand und bombastischer Rhetorik auf so jämmerliche Weise zu beenden, das würde die arabische Welt - zu Recht - als Verrat begreifen.

© SZ vom 27.07.2011/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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