Es ist ein Novum im Norden. Und eine Reform, die auch in anderen Ländern und auf Bundesebene immer wieder diskutiert wird: Erstmals dürfen am 7. Mai auch Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren den neuen Landtag von Schleswig-Holstein wählen. Das betrifft etwa 57 000 Jugendliche, was etwa 2,5 Prozent der Wahlberechtigen entspricht. Die Stimmen der jungen Wähler können also durchaus einen Unterschied machen. Theoretisch. Aber gehen die Jungen überhaupt wählen, wenn die es denn dürfen? Und wenn ja: Sind ihre politischen Vorlieben wirklich so verschieden von den Erwachsenen?
Ein paar Vergleichswerte gibt es bereits. Etliche Bundesländer haben das Wahlalter für Kommunalwahlen schon auf 16 Jahre gesenkt. Und in Brandenburg, Bremen und Hamburg durften 16- und 17-Jährige auch schon bei Landtagswahlen ihre Stimme abgeben. Dort fand bisher jeweils eine solche Wahl nach dem neuen Recht statt. Die Erfahrung aus allen drei Ländern zeigt: Das Interesse der Jugendlichen ist, gemessen an der Wahlbeteiligung dort, geringer als im Durchschnitt. Allerdings, so sagt Kai-Uwe Schnapp, Politikwissenschaftler an der Universität Hamburg, war die Wahlbeteiligung der Jugendlichen immerhin höher als die der 18- bis 34-Jährigen.
In Hamburg hat die Statistikbehörde auch ausgewertet, für welche Parteien sich die jungen Menschen entschieden haben. Demnach profitieren Grüne und Linke von der Absenkung der Altersgrenze. Ihnen geben 16- und 17-Jährige überdurchschnittlich häufig ihre Stimme. Alle anderen Parteien verlieren bei den Jungwählern. Ob sich dieser Trend in Schleswig-Holstein fortsetzen wird, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Hamburg ist ein Stadtstaat, Schleswig-Holstein dagegen ein ländlich und landwirtschaftlich geprägter Flächenstaat.
Dass die jungen Wählerinnen und Wähler mit ihrer Präferenz eine Wahl entscheiden werden, ist fraglich. "Grundsätzlich wählen die jungen Leute tendenziell etwas linker als die älteren", sagt Schnapp. "Aber wir sprechen hier nur von einem leichten Trend bei nur zwei Altersjahrgängen. Damit diese einen großen Einfluss auf die Wahlergebnisse hätten, müssten sie schon alle Links und Grüne wählen - das tun sie aber nicht."
In Brandenburg hat 2014 eine Umfrage nach der Stimmabgabe gezeigt, dass insbesondere Grüne und Piraten von den Jugendlichen eher gewählt wurden als von älteren Wählerinnen und Wählern. Trotzdem waren es immer noch mehr Jugendliche, die für SPD und CDU stimmten.
Junges Gegengewicht zu der großen Zahl der Senioren
Grüne, SPD und die Linke wollen das Wahlalter auch für Bundestagswahlen auf 16 Jahre zu senken. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley sagte kürzlich, die SPD wolle diese Forderung in ihr Wahlprogramm aufnehmen. Den Sozialdemokraten geht es vor allem darum, den Jungen mehr politisches Gewicht zu geben angesichts der großen Zahl von Senioren in Deutschland.
Genauso argumentiert die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt: "Kinder und Jugendliche werden in einer überalternden Gesellschaft eine kleiner werdende Gruppe, deshalb ist es umso wichtiger, sie frühzeitig in politische Prozesse einzubinden", sagte sie der dpa.
Im September können insgesamt 61,5 Millionen Bürger an der Bundestagswahl teilnehmen. Die Zahl der möglichen Erstwähler schätzt der Bundeswahlleiter auf drei Millionen. Insgesamt können 9,4 Millionen 18- bis 29-Jährige wählen, das sind 15,4 Prozent der Wahlberechtigten. Die Zahl der potentiellen Wählerinnen und Wähler, die 60 Jahre oder älter sind, liegt demnach bei 22,2 Millionen (36,1 Prozent). Unter ihnen bilden die mindestens 70-Jährigen mit 20,7 Prozent insgesamt die größte Gruppe Wahlberechtigter (12,7 Millionen).
Unter 50 Jahre alt sind 44 Prozent der Wahlberechtigten, älter sind 56 Prozent. Da die Erfahrung außerdem zeigt, dass ältere Menschen eher zur Wahl gehen als jüngere, gibt es in Deutschland tatsächlich deutlich mehr ältere Wählerinnen und Wähler.
Niedriges Wahlalter mit langfristiger Wirkung
Die Unionsparteien haben dennoch Vorbehalte gegen eine Senkung des Wahlalters, weil Jugendliche vor dem Gesetz auch erst mit 18 Jahren als "erwachsen" gelten. Politikwissenschaftler Schnapp hält dem entgegen, dass Kinder mit 14 strafmündig sind, und schon Zwölfjährige über ihren eigenen Glauben entscheiden sollen. "Wenn wir jemanden zutrauen, eine derart weitreichende Entscheidung zu treffen, spricht das dafür, auch das Wahlalter herabzusetzen." Irgendwo zwischen zwölf und 18 sei der Punkt überschritten, ab dem Jugendliche die notwendige Reife hätten, so Schnapp. Und ein Teil der Jugendlichen unter 16 Jahre sei bereits jetzt schon politisch aktiv. "Jemand, der sich zum Wählen noch nicht fit genug fühlt, der wird im Zweifelsfalle auch nicht gehen", sagt Schnapp. Darüber hinaus sind auch unter den übrigen Wahlberechtigten wohl kaum wirklich alle allerbestens politisch informiert.
Ein wichtiges Argument für ein junges Wahlalter ist Schnapp zufolge die langfristige Wirkung für Wahlbeteiligung: "Unter den Betroffenen beteiligen sich auch später mehr an Wahlen als unter denen, die mit 16 noch nicht wählen durften."