Erfurt:Wer wird Regierungschef in Thüringen?

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Bodo Ramelow (Die Linke), Ministerpräsident von Thüringen, verfolgt eine Debatte im Plenarsaal des Thüringer Landtages. (Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild)

Amtsinhaber Bodo Ramelow gegen AfD-Kandidat Christoph Kindervater lautet das Duell bei der Wahl des neuen Ministerpräsidenten. Im dritten Wahlgang könnten dann...

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Erfurt (dpa/th) - Amtsinhaber Bodo Ramelow gegen AfD-Kandidat Christoph Kindervater lautet das Duell bei der Wahl des neuen Ministerpräsidenten. Im dritten Wahlgang könnten dann noch weitere Herausforderer ihren Hut in den Ring werfen - etwa FDP-Landeschef Thomas Kemmerich. Die Kandidaten im Kurzporträt: 

BODO RAMELOW: Als Bodo Ramelow 2014 erster Linken-Ministerpräsident in Deutschland wurde, rief das in Erfurt noch Demonstrationen mit Kerzen und „Stasi raus!“-Rufen hervor. Inzwischen können sich selbst Konservative wie Ex-Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) und Alt-Bundespräsident Joachim Gauck eine Zusammenarbeit der CDU mit Ramelow und seiner Linken vorstellen. In fünf Jahren als Regierungschef hat sich der 63-Jährige, der sich als Sozialist und Christ bezeichnet, von seiner Partei emanzipiert und füllt die Rolle des Landesvaters aus.

Damit kommt er bei den Bürgern an: Laut jüngster Umfrage von infratest-dimap im Auftrag des MDR halten ihn 71 Prozent der Thüringer für einen guten Ministerpräsidenten; bei einer Direktwahl würden 60 Prozent für ihn stimmen.

Dabei beherrscht Ramelow nicht nur die staatsmännische Pose, sondern bewegt sich auch in sozialen Medien im Internet wie ein Fisch im Wasser - auf Twitter hat er mehr als 40 000 Follower. In Niedersachsen geboren kam er nach dem Mauerfall als Gewerkschafter nach Thüringen. 1999 begann seine Polit-Karriere: Er zog für die damalige PDS in den Landtag ein. Machtbewusst und wortgewandt stieg er schon zwei Jahre später zu deren Fraktionschef auf. Seine Vermittlerqualitäten sind nicht nur in der drei Parteien-Koalition gefragt, sondern auch außerhalb Thüringens - so etwa 2017 als Schlichter im monatelangen Tarifkonflikt der Deutschen Bahn.

CHRISTOPH KINDERVATER: In der Landespolitik war Christoph Kindervater bisher ein unbeschriebenes Blatt. Nur rund 350 Einwohner hat der Ort Sundhausen im Unstrut-Hainich-Kreis, wo er seit 2016 ehrenamtlicher Bürgermeister ist. Nun will er als Ministerpräsident für 2,1 Millionen Thüringer Verantwortung tragen. Erst am Wochenende hat er sich CDU, FDP und AfD als Kandidat angeboten, doch nur die AfD griff zu und hob ihn gleich für den ersten Wahlgang aufs Schild. Der 42-Jährige gehört nach eigener Aussage keiner Partei an, hat sich aber als Unterstützer der Werteunion geoutet, einer Gruppe besonders konservativer CDU-Mitglieder. Im vergangenen Jahr hatte er zudem auf der CDU-Liste für den Kreistag kandidiert - allerdings erfolglos.

„Für unser Land, meine Familie und unsere Mitbürger kann ich nicht hinnehmen, dass hier wieder eine sozialistische Minderheit über das Schicksal der Menschen dieses Landes bestimmt“, hat der 42-Jährige seine Entscheidung für eine Kandidatur begründet. Der Vater eines Sohnes sieht sich als Vertreter bürgerlich-konservativer Wähler. Er arbeitet als Vertriebsingenieur und ist bundesweit der erste Ministerpräsidentenkandidat, der auf einem AfD-Ticket antritt. Doch sein Wunsch, gemeinsamer Kandidat von CDU, FDP und AfD zu sein, hat sich erwartungsgemäß zerschlagen. Christ- und Freidemokraten haben es ausgeschlossen, einen AfD-Kandidaten mitzutragen.

THOMAS KEMMERICH: Der Liberale will als Kandidat der „bürgerlichen Mitte“ unter bestimmten Voraussetzungen im dritten Wahlgang seinen Hut in den Ring werfen - nämlich dann, wenn neben dem Linken Bodo Ramelow auch der Kandidat der AfD bei der letzten Abstimmung zur Wahl des Ministerpräsidenten noch antritt. Mit Kemmerich an der Spitze gelang der FDP bei der Landtagswahl im Oktober der Wiedereinzug in den Landtag, wenn auch mit denkbar knappem Ergebnis. Der 54-Jährige ist seit 2015 Landeschef der Freidemokraten und führt die fünfköpfige Landtagsfraktion an. Von 2017 bis 2019 war er Mitglied im Bundestag.

Der gebürtige Aachener absolvierte parallel zu seinem Jurastudium, das er mit dem Ersten Staatsexamen abschloss, eine kaufmännische Lehre im Groß- und Einzelhandel. Nach der Wende baute sich der Katholik eine Existenz in Erfurt auf. Er machte sich zunächst als Unternehmensberater selbstständig. Anfang der 1990er Jahre übernahm der Mann mit der markanten Glatze mehrere Friseurläden und gründete eine Filialkette.

Aber auch in der Erfurter Stadtpolitik mischt Kemmerich schon seit Jahren mit. 2009 führte er die FDP zurück in den Stadtrat, 2012 kandidierte er - erfolglos - bei der Oberbürgermeisterwahl. Seit 2011 ist Kemmerich zudem Bundeschef der FDP-Mittelstandsvereinigung. Er ist verheiratet und Vater von sechs Kindern.

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