Erfurt:Neuer Umgang mit AfD? Ramelow stimmte für AfD-Landtagsvize

Lesezeit: 2 min

Der neu gewählte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) spricht bei der Ernennung der Minister. (Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa/Archiv)

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat als Abgeordneter dem AfD-Kandidaten für das Vizepräsidentenamt im Landtag in Erfurt überraschend seine...

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Erfurt (dpa/th) - Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat als Abgeordneter dem AfD-Kandidaten für das Vizepräsidentenamt im Landtag in Erfurt überraschend seine Stimme gegeben. Ramelow erklärte am Freitag am Rande der Landtagssitzung auf dpa-Anfrage, er habe sich bei der geheimen Abstimmung „sehr grundsätzlich entschieden“. Er wollte auch mit seiner Stimme den Weg frei machen „für die parlamentarische Teilhabe, die jeder Fraktion zugebilligt werden muss“. Ramelow sagte, er verweigere dem Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke zwar den Handschlag, aber den Parlamentsrechten der AfD nicht seine Stimme.

Am Donnerstag war der AfD-Kandidat für das Vizepräsidentenamt, Michael Kaufmann, im Parlament in Erfurt mit 45 von 89 abgegebenen Stimmen gewählt worden. Kaufmann, der Professor für Messtechnik ist, ist bei Ramelows rot-rot-grüner Minderheitskoalition umstritten. Im Bundestag war am Donnerstag der AfD-Kandidat für das Vizepräsidentenamt durchgefallen.

Ramelow: „Mir gefällt weder die Partei, noch hege ich Sympathien für Herrn Prof. Kaufmann, aber ich achte die Parlamentsregeln.“ Zudem wollte er mit seinem Abstimmungsverhalten als Landtagsabgeordneter auch sichern, dass der lange nicht arbeitsfähige Wahlausschuss für Richter und Staatsanwälte wieder handlungsfähig werde.

Abends schrieb Ramelow zur Erklärung auf Twitter, die AfD habe seit längerem darauf beharrt, nur dann einen Kandidaten für den Richterwahlausschuss zu benennen, wenn ein Vizepräsident aus ihren Reihen gewählt werde. „Ich wollte diese Erpressungssituation durch meine Stimmabgabe und den offenen Umgang damit beenden.“ Weiter schrieb er: „Damit Richter und Staatsanwälte wieder berufen werden können, habe ich als Ministerpräsident und als Abgeordneter eine Entscheidung getroffen, die nicht jeder akzeptieren kann. Das verstehe ich.“

Die Partei- und Fraktionsvorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, schrieb auf Twitter, „meine Position ist eine andere: keine Stimme für die AfD“. Sie habe aber keine Zweifel, dass Ramelow und sie „in Fragen der antifaschistischen Haltung zusammenstehen.“ Die Linke-Abgeordnete Katharina König-Preuss schrieb zur Entscheidung von Ramelow: „Ich kann mich nur davon distanzieren.“

Seit der Thüringer Landtagswahl Ende Oktober 2019 hatte die AfD-Landtagsfraktion mehrfach vergeblich versucht, jemanden aus ihren Reihen auf den Posten des Landtagsvizepräsidenten zu bringen. Nach den Parlamentsregeln sollen alle Fraktionen im Landtagspräsidium vertreten sein. Die Linke stellt mit Birgit Keller die Landtagspräsidentin, CDU, SPD, Grüne und FDP haben bereits Vizepräsidenten.

Kaufmann, der nach eigenen Angaben die Thüringer AfD mitgegründet hat, war vor allem bei Abgeordneten der rot-rot-grünen Regierungskoalition umstritten. Als das Ergebnis der Abstimmung am Donnerstag bekannt gegeben wurde, gab es keinen Beifall von Abgeordneten von Linken, SPD und Grünen. Gegen den AfD-Kandidaten stimmten 35 Abgeordnete, 9 Parlamentarier enthielten sich.

Die SPD warf der CDU vor, bei der Wahl von Kaufmann den vereinbarten Stabilitätsmechanismus verletzt zu haben. „Wir haben vereinbart, dass es keine Mehrheiten geben darf, die nur durch die Stimmen der AfD möglich sind“, sagte SPD-Fraktionsvize Diana Lehmann. Diese Verletzung der Vereinbarung müsse nun von den Fraktionsspitzen von Linken, SPD, Grünen und CDU besprochen werden, forderte Lehmann. „Wir müssen uns doch noch mal überlegen, ob wir doch noch schneller Neuwahlen brauchen.“ Der parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Andreas Bühl, erklärte, „der Stabilitätsmechanismus funktioniert“. Die Besetzung von Gremien sei parlamentarischer Alltag.

Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grüne-Fraktion, Astrid Rothe-Beinlich, äußerte sich zurückhaltender. „Bei der Wahl zum Vizepräsidenten handelt es sich um eine geheime Wahl.“ Fakt sei, dass Kaufmann mit 45 Stimmen gewählt worden sei. „Das bedauere ich ausdrücklich, da dies zu einer scheinbaren Normalisierung einer Fraktion beiträgt, die wir so nicht mittragen können und auch keinerlei Verpflichtung zur Wahl eines AfD-Landtagsabgeordneten in den Vorstand des Landtags bestand.“

In der Landtagssitzung am Freitag in Erfurt gab es immer wieder Wortgefechte zwischen AfD-Abgeordneten und Vertretern der anderen fünf Fraktionen. Daran beteiligte sich auch Ramelow - einen AfD-Parlamentarier bezichtigte er in einem Zwischenruf der Lüge.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: