Kroatien:Wieder Prügel an der Grenze

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Migranten aus Afghanistan an der bosnisch-kroatischen Grenze. (Foto: Damir Sagolj/Getty Images)

Die Behörden des EU-Landes Kroatien reagieren auf neue Vorwürfe illegaler Pushbacks, indem sie drei Polizisten vom Dienst suspendieren.

Von Tobias Zick, München

"Go to Bosnia!", ruft einer der blau gekleideten, maskierten Männer den Menschen hinterher, die er und seine Kollegen gerade mit Stockschlägen in Richtung des Grenzflusses getrieben haben. Jenseits der Grenze, auf der bosnischen Seite, zeigen die Geprügelten ihre Striemen und Prellungen auf dem Rücken in die Kamera. Es sind Szenen, die Journalisten des ARD-Magazins Monitor nach monatelangen Recherchen zusammen mit dem Spiegel und anderen internationalen Partnermedien gefilmt haben. Die Recherchen legen nahe, dass es sich bei den blau gekleideten Männern um Mitglieder kroatischer Polizeieinheiten handelt, die auch von der EU-Kommission und von der deutschen Bundesregierung für die Sicherung der EU-Außengrenze unterstützt und mitfinanziert werden.

Am Montag nun hat sich auch die Bundesregierung zu den Vorwürfen geäußert. Man habe die Bilder und Berichte "mit großer Sorge" zur Kenntnis genommen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes: "Misshandlungen von Flüchtlingen und Migranten durch Grenzschützer sind nicht akzeptabel. Jede Art von Grenzschutz muss unter allen Umständen humanitären Standards gerecht werden, den geltenden völker- und europarechtlichen Bestimmungen entsprechen und die europäischen Grundwerte achten."

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Schon in der Vergangenheit hatte es immer wieder Berichte über illegale und mitunter gewalttätige Pushbacks durch kroatische Sicherheitskräfte an der Grenze zu Bosnien-Herzegowina gegeben. Im August 2019 etwa bestritt die damalige kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović, frisch konfrontiert mit Aufnahmen des Schweizer Fernsehens, nicht grundsätzlich, dass es solche Abschiebungen gebe; sie stellte lediglich infrage, dass diese illegal seien. Und Innenministerium und Polizei hätten ihr versichert, "dass sie nicht zu viel Gewalt anwenden".

Die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson sagte am vergangenen Donnerstag, sie sei "äußerst beunruhigt" über die Pushback-Berichte; zugleich sei sie "froh, dass die kroatische Regierung gemeinsam mit der EU einen unabhängigen Mechanismus zur Beobachtung eingerichtet hat".

Der kroatische Polizeidirektor gab kurz darauf bekannt, man habe drei Beamte anhand der Fernsehaufnahmen identifiziert und vom Dienst suspendiert, auch werde man weitere disziplinarische Schritte einleiten. Kroatiens Präsident Zoran Milanović erklärte am Wochenende seinerseits, er gehe davon aus, dass es sich um einen Einzelfall handle; freilich dürften Polizisten sich nicht so verhalten. Er wolle aber auch nicht, dass die Polizei nun "stigmatisiert" werde. "Irgendjemand muss ja die Grenze schützen." Und Zäune entlang der Grenzen, wie andere europäische Länder sie errichten, wolle er nicht: "Das finde ich unmenschlich."

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