Krise im Jemen:"Brisant für alle Industriestaaten"

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Politikwissenschaftler Tuschhoff hält weltweite Sicherheit für eine "Illusion". Die Situation im Jemen aber erscheint ihm besonders kritisch.

S. Klaiber

Der Politikwissenschaftler Christian Tuschhoff ist Spezialist für Internationale Sicherheit und lehrt an der Freien Universität Berlin.

Politikwissenschaftler Christian Tuschhoff glaubt nicht, dass die Gefahr von Anschlägen in Europa wegen der Entwicklungen im Jemen steigt. (Foto: Foto: oh)

sueddeutsche.de: Wie gefährlich ist es für Deutschland, wenn der Jemen durch die aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Stammesgruppen und zwischen Staat und al-Qaida noch instabiler wird?

Christian Tuschhoff: Die Situation im Jemen ist für alle Industriestaaten brisant. Instabile Staaten sind Rückzugsräume für Gruppen, die dort ihren für uns bedrohlichen Aktivitäten nachgehen. Dort können sie in Ruhe trainieren und planen.

sueddeutsche.de: Hat Europa zu spät auf die Entwicklungen im Jemen reagiert?

Tuschhoff: Man hat das Land ignoriert, wie viele andere auch. Aber: Hätte man sich mehr um den Jemen gekümmert, wären die gefährlichen Gruppen eben woanders hingegangen. Es ist eine Illusion zu glauben, man könne alle Staaten sicher machen. Das würde uns ökonomisch und politisch völlig überfordern.

sueddeutsche.de: Steigt die Gefahr von Anschlägen in Europa durch die Entwicklungen im Jemen?

Tuschhoff: Auszuschließen sind Anschläge nicht. Das bedeutet aber nicht, dass die Gefahr steigt. Die Gefahr geht von den radikalen Gruppen aus, nicht davon, in welchen Ländern sie operieren.

sueddeutsche.de: Rechnen Sie mit wirtschaftlichen Folgen für Europa?

Tuschhoff: Die Instabilität im Jemen ist speziell kritisch, weil das Land an einer wichtigen Wasserstraße für Öltanker liegt. Für Industriestaaten mit ihrem Rohstoffbedarf ist das gefährlich. Auf Piraterie, die solche Gruppen fördern, haben wir im Grunde keine Antwort.

sueddeutsche.de: Der Jemen liegt nicht nur an einer bedeutenden Wasserstraße, sondern grenzt auch an Saudi-Arabien, einen der wichtigsten Erdölexporteure. Die saudische Regierung versucht, ein Übergreifen der Konflikte aufs eigene Land zu verhindern. Erwarten Sie deswegen Auswirkungen auf die Ölpreise?

Tuschhoff: Nicht unbedingt. Es kann zwar sein, dass Kosten zur Sicherung des Transports und der Quellen irgendwann auf den Preis umgelegt werden - aber das muss innerhalb der OPEC abgestimmt werden und auf dem Markt durchsetzbar sein. Hier spielen weit komplexere Mechanismen eine Rolle. Die Wirtschafts- und Finanzkrise wirkt derzeit eher dämpfend auf den Preis, weil die Nachfrage nach Energie gering ist.

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