Kriminalität:Den Clanchef im Haus

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Kampf gegen Kriminalität: Festnahme nach einer Razzia in Berlin-Tempelhof 2018. (Foto: Paul Zinken/dpa)

Was ein Kniff gegen Geldwäsche sein soll, könnte die Stadt Berlin zum Vermieter mutmaßlicher Krimineller machen.

Von Jan Heidtmann

Vieles von dem, was die Deutschen aus Italien adaptieren, hat mit Lebenslust zu tun. Mode zum Beispiel, Designermöbel oder die hundertste Variation der Penne all'arrabbiata. Doch was Berlin nun aus dem Süden übernehmen wird, handelt eher von der dunklen Seite des Lebens, von der Mafia und ihrer Bekämpfung.

Von Kriminellen beschlagnahmte Immobilien müssen dort seit einigen Jahren nicht mehr zwangsläufig versteigert werden, sie können auch im Staatsbesitz bleiben. Dies soll nun auch in Berlin möglich sein. "Wer seine Immobilien aus Straftaten wie Geldwäsche finanziert, schadet dem Gemeinwohl massiv", sagt Justizsenator Dirk Behrendt von den Grünen. "Deshalb ermöglicht es Berlin künftig, bemakelte Vermögenswerte direkt für soziale Zwecke zu nutzen." In Italien wurden zum Beispiel Anti-Mafia-Projekte untergebracht - eine doppelte Demütigung für die Kriminellen.

In der Hauptstadt geht es dabei vor allem um die sogenannten Clans, die hier zu den umtriebigsten Straftätern gehören. Ihre Mitglieder wurden für den Diebstahl der 100 Kilo schweren Goldmünze aus dem Bode-Museum verurteilt, sie gelten auch für den Einbruch im Grünen Gewölbe in Dresden als verantwortlich.

"Das hat einen massiven Abschreckungseffekt"

Der Vorstoß ist Teil eines größeren Gesetzespakets gegen die organisierte Kriminalität, das Berlin vorantreibt. Dazu zählt auch die Initiative für ein bundesweites Immobilienregister, die an diesem Freitag im Bundesrat eingebracht wurde. So sollen Scheinbesitzer enttarnt werden. 2018 hatte die Berliner Justiz bereits 77 Immobilien einer deutsch-arabischen Großfamilie unter dem Verdacht der Geldwäsche beschlagnahmt. Nach langwierigen Rechtsstreitigkeiten sind nun die ersten beiden Häuser in Staatsbesitz übergegangen.

"Das hat einen massiven Abschreckungseffekt", meint Sebastian Schlüsselburg, rechtspolitischer Sprecher der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, der die Idee zu der Neuregelung hatte. Denn werden beschlagnahmte Immobilien versteigert, kommt es immer wieder vor, dass die Kriminellen über Strohmänner einfach mitbieten. "Als Eigentümer können wir Mieter schützen, vor Mieterhöhungen zum Beispiel. Oder wir bringen einen Jugendclub in einem leerstehenden Gebäude unter."

Doch was in der Theorie gut klingt, hat in der Praxis so seine Tücken. Eine der beiden ersten Immobilien im Staatsbesitz ist eine denkmalgeschützte Villa im Bezirk Neukölln. Sie war offenbar lange Zeit der Sitz des Clanchefs, einer seiner Söhne hatte das Haus 2012 gekauft. Mitglieder der Familie wohnen noch immer in dem herrschaftlichen Haus. Ihr neuer Vermieter, der Bezirk Neukölln, wäre sie gerne los, doch die Bewohner legten alte Mietverträge vor. Möglicherweise wurden sie innerhalb des Clans geschlossen, nur damit die Mitglieder auch nach der Beschlagnahmung in der Villa bleiben können.

Sollten die Verträge Bestand haben, geriete das Bezirksamt in eine skurrile Situation: Als Vermieter müsste es ausgerechnet für diejenigen sorgen, denen der Staat schaden wollte. Der Anwalt der Mieter hat jedenfalls schon einmal Kontakt mit dem Bezirk aufgenommen - wegen eines Problems mit der Heizungsanlage.

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