Krieg in Libyen:Paris und London: Nato soll mehr Angriffe fliegen

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Der Militäreinsatz in Libyen wird zur Belastungsprobe für Nato und EU: Großbritannien und Frankreich kritisieren das Militärbündnis, nicht schlagkräftig genug gegen Gaddafis Truppen vorzugehen. Schon fürchten erste Stimmen eine Spaltung der EU-Staaten in "Krieger" und "Gutmenschen".

Während in Libyen die Kämpfe zwischen den Einheiten des Machthabers Muammar al-Gaddafi und den Aufständischen toben, sorgt der Konflikt für Zwist in Europa: Frankreich und Großbritannien warfen der Nato vor, in Libyen nicht hart genug gegen die Truppen Gaddafis durchzugreifen. "Es reicht nicht", sagte der französische Außenminister Alain Juppé dem Sender France Info. Das Militärbündnis müsse seine Rolle voll ausspielen und angesichts der anhaltenden Angriffe auf die Rebellen die schweren Waffen der Gaddafi-Truppen stärker ins Visier nehmen.

Nach dem Einsatz in Libyen: ein dänischer F-16-Jet  auf dem sizilianischen Militärflughafen Signella (Foto: AP)

Ähnlich äußerte sich sein britischer Kollege William Hague. Sein Land habe zusätzliche Kampfflugzeuge bereitgestellt. "Natürlich wäre es zu begrüßen, wenn andere Staaten das auch tun würden", sagte Hague im Vorfeld eines EU-Außenministertreffens in Luxemburg, auf dem das weitere Vorgehen in Libyen besprochen werden sollte.

Die Nato wies die Kritik zurück. Die Militäreinsätze in Libyen würden in Einklang mit dem Mandat der Vereinten Nationen zum Schutz der Zivilisten "kraftvoll ausgeübt", hieß es in einer Stellungnahme. "Die Gangart der Einsätze hängt davon ab, was zum Schutz der Bevölkerung unternommen werden muss." Ähnlich äußerten sich hohe Militärs: "Ich denke, dass wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln einen Klassejob machen", sagte der niederländische General Mark van Uhm "Bisher leisten wir ziemlich gute Arbeit, indem wir die größten Bedrohungen bekämpfen. Und unser Einsatztempo ist sehr hoch." Die Nato hatte Ende März von Frankreich, Großbritannien und den USA das Kommando über die Luftangriffe übernommen.

Der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn warnte, die EU-Staaten dürften sich nicht selbst spalten in die "Krieger", die die UN-Resolution zur Flugverbotszone mit militärischer Gewalt umsetzten, und die "Gutmenschen", die sich nur für humanitäre Zwecke einsetzten.

Trotz regelmäßiger Einsätze der Nato hielt der Beschuss von Rebellen-Bastionen wie der Küstenstadt Misrata jedoch an, Hunderte Zivilisten wurden getötet. Am Dienstag unternahmen die Gaddafi-Truppen zudem anscheinend einen neuen Vorstoß auf Adschdabija im Osten Libyens. Ein Reuters-Mitarbeiter sagte, am westlichen Zugang zu der strategisch wichtigen Stadt habe es etwa acht vermutlich durch Artilleriefeuer verursachte Explosionen gegeben. Erst am Wochenende hatte die Nato maßgeblich dazu beigetragen, die Erstürmung Adschdabijas abzuwehren. Die Rebellen werfen der Allianz jedoch weiterhin ein zu zögerliches Vorgehen vor.

Als Held gilt vielen Aufständischen in erster Linie immer noch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, der am vehementesten einen Militäreinsatz in Libyen gefordert hatte und als erster Kampfflugzeuge zur Unterstützung der Aufständischen in den Krieg schickte.

Mit ihrer Kritik dürften Juppé und Hague den Ton für das Außenministertreffen in Luxemburg vorgegeben haben. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach sich kurz zuvor dafür aus, den Druck auf Gaddafi zu erhöhen. Dazu sei eine umfassende Sanktionspolitik notwendig, sagte er im Deutschlandfunk. Die internationale Gemeinschaft müsse dafür sorgen, dass Gaddafi "der Geldhahn zugedreht wird". Es dürfe keine Zementierung des Status quo geben. Gaddafi müsse den Weg für eine politische Lösung freimachen. Kurz vor den Beratungen bekräftigte Westerwelle in Luxemburg: "Deutschland wird sich an dem Krieg in Libyen nicht beteiligen, aber wir werden helfen, die Folgen des Krieges für die Menschen zu lindern." Voraussetzung des Einsatzes sei jedoch, dass es eine Anfrage der Vereinten Nationen und der Hilfsorganisationen gebe.

Libyens abtrünniger Außenminister reist nach Katar

Libyens früherer Außenminister Mussa Kussa warnte indes, sein Land drohe in einen ähnlichen Bürgerkrieg abzugleiten wie Somalia. Alle beteiligten Konfliktparteien müssten dies verhindern, sagte er in einem Beitrag der BBC. Die Einheit von Libyen sei Voraussetzung für jede Einigung. "Die Lösung in Libyen wird von den Libyern selbst kommen, durch Diskussionen und einen demokratischen Dialog."

Es war das erste Mal, dass sich der langjährige Gaddafi-Vertraute öffentlich zu Wort meldete, seitdem er sich im vergangenen Monat nach Großbritannien abgesetzt hatte. Kussa wird britischen Angaben zufolge am Mittwoch in Doha erwartet. Dort soll er am Rande des Treffens der internationalen Libyen-Kontakttruppe Gespräche mit Teilnehmern führen. Auch Westerwelle plant, zu den Beratungen im Emirat Katar zu reisen.

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