Vatikan:Franziskus schaltet sich in Ukraine-Vermittlung ein

Lesezeit: 2 min

"Gründlich zuhören" ist der wesentliche Auftrag für seine Gespräche in der Ukraine: Bolognas Erzbischof, Kardinal Matteo Zuppi, soll Friedensmöglichkeiten eruieren. (Foto: Alessia Giuliani /IMAGO/Independent Photo Agency I)

Der Papst schickt mit Kardinal Matteo Zuppi seinen besten Mann als Sondergesandten nach Kiew. Es gibt auch Spekulationen über eine Reise nach Moskau.

Von Marc Beise, Rom

Der Papst macht ernst und unternimmt Friedensbemühungen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Zu Wochenbeginn hat er den Erzbischof von Bologna, Kardinal Matteo Zuppi, als seinen Sondergesandten nach Kiew geschickt. Hauptziel dieser Initiative sei es, der Ukraine "gründlich zuzuhören, welche Möglichkeiten es gibt, einen gerechten Frieden zu erreichen", ließ das Oberhaupt der katholischen Kirche am Montag mitteilen. Man wolle zudem "Gesten der Menschlichkeit" unterstützen, die zum Abbau der Spannungen beitragen könnten.

Damit äußerte sich der Vatikan bewusst vorsichtig. Gegen eine ergebnisoffene Vermittlung gibt es von ukrainischer Seite Bedenken. Dort wird dem Papst verübelt, dass er mit beiden Seiten ins Gespräch kommen will. Er hat zwar das Leiden der ukrainischen Seite immer wieder betont, aber vermieden, den russischen Präsidenten Wladimir Putin allzu offensiv anzugreifen. "Ich schließe den Kontakt mit niemandem aus, auch nicht mit dem Aggressor. Manchmal stinkt der Dialog, aber er muss geführt werden", hat der Papst einmal gesagt. "Denn sonst verschließen wir die einzige vernünftige Tür zum Frieden."

Höflich, aber in der Sache konfrontativ war Selenskijs Gespräch mit Franziskus

Der Vatikan hat sich seit Kriegsbeginn im Februar vergangenen Jahres immer wieder als Vermittler angeboten. Auf dem Rückflug von seiner Reise nach Ungarn Ende April hatte Franziskus angedeutet, dass im Geheimen eine Friedensmission vorbereitet werde. Beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij im Mai in Rom war das Gespräch der beiden Staatsoberhäupter höflich, aber in der Sache eher konfrontativ verlaufen. Franziskus hatte allgemein die "humanitäre und politische Situation" im Zusammenhang mit dem andauernden Krieg erwähnt.

Selenskij forderte, der Papst solle die russischen Verbrechen in der Ukraine explizit verurteilen: "Wir brauchen keine Vermittler zwischen der Ukraine und dem Aggressor, der unsere Gebiete besetzt hat, sondern einen Aktionsplan für einen gerechten Frieden in der Ukraine", sagte er später in einem Fernsehinterview. Allenfalls eine Vermittlerrolle für die Rückführung nach Russland verschleppter ukrainischer Kinder und einen Gefangenaustausch konnte sich Selenskij zu diesem Zeitpunkt vorstellen.

Möglicherweise führt die nächste Reise den Italiener nach Moskau

Dessen ungeachtet ernannte der Papst mit Kardinal Zuppi wenige Tage später einen Sondergesandten. Damit hat er seinen für diese Aufgabe besten Mann beauftragt. Nicht nur dass Zuppi gut vernetzt und sehr einflussreich ist, was sein Amt als Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz nur teilweise ausdrückt. Der 67-Jährige gilt auch als ein aussichtsreicher Kandidat für eine Nachfolge des 86-jährigen Franziskus. Er ist zudem eng mit der Comunità Sant'Egidio verbunden, die für den Vatikan schon wiederholt in Vermittlerfunktionen bei internationalen Konflikten tätig war.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Zuppi gehörte von Anfang an zur der Gruppe von römischen Studenten und jungen Menschen, die 1968 die katholische Laiengemeinschaft gegründet hat, zunächst um Obdachlosen und den Ärmsten der Armen in Rom zu helfen, später wuchs ihr eine Aufgabe als Vermittler in internationalen Konflikten zu. Als ihr Meisterwerk gelten bis heute die Verhandlungen der verfeindeten Bürgerkriegsparteien in Mosambik. In zweijährigen, komplizierten Gesprächen wurde - unter maßgeblicher Beteiligung Zuppis - in der Zentrale der Gemeinschaft an der namensgebenden Piazza di Sant'Egidio in Roms Ausgehviertel Trastevere 1992 ein Frieden beschlossen, der das 16 Jahre anhaltende Blutvergießen in dem südostafrikanischen Land beendete.

Je nach Verlauf der Unterredungen in Kiew ist es denkbar, dass Zuppi sofort oder bald auch nach Moskau reisen wird. Auch der Papst selbst hat immer wieder angeboten, auf die Reise zu gehen - aber nur, wenn er in Kiew und Moskau gleichermaßen empfangen werde.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusG-7-Gipfel in Hiroshima
:Schluss mit dem Lagerdenken

Unter dem Vorsitz Japans suchen die G-7-Nationen auch die Nähe zu Ländern, die mit westlicher Moral und Sanktionen gegen Russland wenig anfangen können. Im globalen Wettbewerb wollen sie diesen bieten, was China nicht geben kann: Freiheit.

Von Thomas Hahn

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: