Korruption in China:Der Saubermann aus Hunan

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150.000 Yuan für die Hochzeit der Tochter, 500 Yuan Geburtstagsbonus: Zhang Tiancheng, KP-Funktionär aus China, hat im Internet seine Finanzen offengelegt. Nun debattieren Chinas Kader, ob und wer es ihm gleich tun soll.

Kai Strittmatter, Peking

Es gibt sie, die sauberen Parteifunktionäre. Zhang Tiancheng zum Beispiel, Vizesekretär eines Parteikomitees im Landkreis Hanshou in der Provinz Hunan. Am 29. Oktober tat Zhang etwas Kühnes: Er stellte insgesamt zehn Nachrichten auf dem Mikroblogging-Dienst Sina Weibo online. "Hiermit lege ich mein Einkommen und mein Vermögen offen", schrieb er. Und dann zählte er auf: vom Hausstand der 100-jährigen Großmutter über die 150 000 Yuan (18 000 Euro) teure Hochzeit der Tochter bis hin zum Geburtstagsbonus von 500 Yuan ließ er nichts aus. "74 000 einem Freund geliehen, nie zurück bekommen", stand da zum Beispiel. Und: "Persönliche Interessen. TV, Bücher, Weibo, Gedichte, Angeln, und natürlich schöne Frauen, obwohl ich nie Ungebührliches mit ihnen anfangen würde." Bilanz am Ende: ein jährliches Einkommen von 34 030 Yuan, knapp 4300 Euro. Keine Ersparnisse, kein Bares.

Und eine gewaltige Resonanz online. Neben einigen sarkastischen Bemerkungen (einer nannte ihn "peinlich arm" für einen Beamten) erntete Zhang eine Flut begeisterter Kommentare: "Er traut sich, was andere sich nicht trauen. Los, Ihr Millionen von Kadern, tut es ihm gleich!"

Werden sie es wagen? Die Korruption der Parteifunktionäre und ihrer Familien - eine "tödliche Gefahr" für die Kommunistische Partei nannte sie der scheidende KP-Chef Hu Jintao in seiner Rede am vergangenen Donnerstag zum Auftakt des Parteitags. Er war nicht der Erste: Als "tödliche Gefahr" machte Deng Xiaoping die Korruption 1993 aus, Ex-Parteichef Jiang Zemin nannte sie 1999 "die schwerste Herausforderung in der Geschichte der Partei".

Neu ist die Einsicht also nicht, es folgten den Worten nur nie Taten. Das Geschwür der Korruption konnte sich so ungehindert auswachsen - und bescherte der KP ausgerechnet heuer, da sie ihren Führungswechsel möglichst glatt über die Bühne bringen wollte, ein traumatisches Jahr voller Skandale. Kritiker hatten immer auf einen Punkt gedeutet, der als Lackmustest taugt dafür, wie ernst es der KP wirklich ist mit der Korruptionsbekämpfung: Sie fordern Transparenzregeln für die Kader der Partei; Funktionäre bis zu den höchsten Ebenen sollen ihre Einkommen und Vermögensverhältnisse offenlegen.

Zu Beginn des Parteitags nun gibt es Äußerungen von immerhin zwei KP-Spitzenfunktionären, die die Einführung solcher Regeln zumindest nicht ausschließen wollen. Beide antworteten auf entsprechende Fragen von Reportern am Rande des Parteitags. Wang Yang, der Parteichef der Provinz Guangdong, sagte, seine Provinz "erforsche" gerade Wege, die Beamten dort zur Offenlegung ihrer Finanzen zu bringen. Wang Yang gilt gemeinhin als Reformer, überraschender waren die Worte des 67-jährigen KP-Chefs von Shanghai, Yu Zhengsheng, den das Parteiblatt Volkszeitung mit der Ankündigung zitierte, Shanghai werde "allmählich zu einem System der Offenlegung der Vermögen" übergehen." Yu gilt als einer der Kandidaten für einen Sitz im neuen Machtzentrum Chinas, dem Ständigen Ausschuss des Politbüros, dessen neue Mitglieder diese Woche vorgestellt werden. "Es ist einfach für mich, mein persönliches Vermögen offenzulegen, wenn die Regierung das einmal verlangen sollte", sagte Yu vor Reportern. "Ich besitze nämlich kaum etwas."

Im Netz und unter Beobachtern wurden die Ankündigungen erst einmal skeptisch aufgenommen. Konkrete Schritte nannten beide nicht. Und zu oft schon versandeten ähnliche Vorstöße. Das Thema wird in China bereits seit 1987 diskutiert. Chinas einstiger oberster Korruptionsbekämpfer Wu Guanzheng, Mitglied im Ständigen Ausschuss von 2002 bis 2007, verriet nach seiner Pensionierung, dass im Politbüro damals erwogen wurde, das System in ausgewählten Städten auszutesten. Der Plan sei jedoch gescheitert - wegen zu starken Widerstands der betroffenen Funktionäre.

Der Widerstand wird eher größer geworden sein. "Korrupte Beamte sträuben sich gegen die Offenlegung", zitiert die Jugendzeitung nun den Pekinger Juraprofessor Jiang Mingan, die KP-Führung fürchte zudem, die Offenlegung könne den Zorn des Volkes erst richtig entfachen. Parteiintern gebe es solche Regeln schon seit 1994, berichtete im Oktober der Pekinger Juraprofessor und Korruptionsbekämpfer He Jiahong: Von einer bestimmten Ebene an müssen Funktionäre ihre Finanzen ihren Vorgesetzten gegenüber offenlegen. Diese Akten sind allerdings für alle anderen verschlossen. "Es schaut keiner rein", sagte He Jiahong - "außer es braucht einer die Informationen aus politischen Gründen." Keine Dokumente der Transparenz sind das bislang also, sondern Waffen im innerparteilichen Machtkampf.

© SZ vom 12.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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