KZ Mauthausen:Ehemaliger SS-Wachmann wegen Beihilfe zum Mord in 36 000 Fällen angeklagt

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Häftlinge in einer Baracke im KZ Mauthausen (Foto: SZ Photo)
  • Die Staatsanwaltschaft Berlin hat einen mutmaßlichen ehemaligen KZ-Wachmann angeklagt. Ihm wird Beihilfe zum Mord in mindestens 36 000 Fällen vorgeworfen.
  • Er soll im Konzentrationslager Mauthausen Mitglied des "SS-Totenkopfsturmbanns" gewesen sein.
  • Gegenüber einer Zeitung wollte er sich nicht äußern, ob er damals etwas Falsches getan habe.

Wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 36 000 Fällen hat die Staatsanwaltschaft Berlin einen mutmaßlichen ehemaligen KZ-Wachmann angeklagt. Der heute 95 Jahre alte Hans H. soll zwischen Sommer 1944 und Frühjahr 1945 Angehöriger der 16. Kompanie des SS-Totenkopfsturmbannes im Konzentrationslager Mauthausen gewesen sein, teilte die Anklagebehörde mit. Über die Eröffnung des Hauptverfahrens müsse nun das Landgericht Berlin entscheiden.

Nach Informationen der Bild-Zeitung findet sich sein Name auf einer Liste der 16. Kompanie des SS-Totenkopfsturmbanns Mauthausen vom 26. Juli 1944. Als Teil des sogenannten Cohen-Reports sei die Liste Beweisgegenstand der Nürnberger Prozesse gewesen. Gegenüber der Bild sagte H., er könne keine Auskunft geben, ob die Anklage gerechtfertigt sei. Ob H. etwas Falsches getan habe, wollte er nicht kommentieren.

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H. habe mit seiner Tätigkeit als Wachmann die tausendfachen Tötungen von KZ-Insassen fördern oder zumindest erleichtern wollen, teilten die Anklagebehörden mit. Während der Tatzeit wurden demnach in dem KZ mindestens 36 223 Menschen getötet. Die Tötungen erfolgten demnach größtenteils durch Vergasung, aber auch unter anderem durch Injektionen und Erschießungen. Andere KZ-Insassen verhungerten oder erfroren.

Neue Rechtsauffassung zu KZ-Wachleuten

Mauthausen war das größte Konzentrationslager der Nazis auf dem Gebiet des heutigen Österreichs. Insgesamt waren dort im Zweiten Weltkrieg 200 000 Menschen inhaftiert. Rund 100 000 von ihnen wurden umgebracht.

Die Anklage gegen den 95-Jährigen in Berlin reiht sich ein in mehrere Anklagen gegen frühere SS-Mitglieder, die zuletzt noch einmal zu Strafprozessen vor deutschen Gerichten wegen der nationalsozialistischen Massenverbrechen geführt hatten. Grund ist eine neue Rechtsauffassung, die sich in der deutschen Justiz durchsetzte. Demnach können unterstützende Tätigkeiten von KZ-Wachleuten als Beihilfe zum Mord eingestuft werden.

Mehr als 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs müssen damit nun auch Verdächtige mit Anklagen rechnen, die als Wachen dienten. Früher kamen in aller Regel nur Verdächtige vor Gericht, die sich direkt an der Tötung von KZ-Insassen beteiligt hatten. Mord und damit auch Beihilfe zum Mord verjähren nach deutschem Recht nicht.

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Von Jana Stegemann

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