Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) möchte Versuche verbieten, Homosexualität wie eine Krankheit zu "heilen". Am Dienstag stellte er zwei Gutachten vor, die belegen sollen, dass Strafen für diese sogenannten Konversionstherapien sowohl verfassungsrechtlich machbar als auch medizinisch geboten seien. "Homosexualität ist keine Krankheit und daher auch nicht therapiebedürftig", sagte Spahn. Er wolle nun Justizministerin Katarina Barley (SPD) bitten, noch in diesem Jahr ein entsprechendes Gesetz vorzulegen.
Aus dem Justizministerium heißt es, man sei dazu bereits mit Spahns Haus im Gespräch und prüfe, wie eine Regelung aussehen könne. Solche "Therapien" seien "ein Verstoß gegen die Menschenwürde", sagte ein Sprecher. Nach Recherchen einer Fachkommission, die Spahn Anfang April einberufen hatte, versuchen in Deutschland bis heute regelmäßig Geistliche, Psychotherapeuten, Ärzte oder Coaches, Menschen ihre sexuelle Orientierung auszureden. Vor allem unter evangelikalen Christen seien Maßnahmen gängig, Homosexuelle in Gruppen- oder Einzelgesprächen zu einer heterosexuellen Orientierung zu drängen. Einige Ärzte oder Therapeuten rechneten solche Maßnahmen sogar bei den Krankenkassen ab, allerdings unter anderem Namen. Diese Interventionen verstießen schon lange gegen medizinische Leitlinien, sagte Jörg Litwinschuh-Barthel von der Magnus-Hirschfeld-Stiftung, die sich für die Rechte von Homosexuellen einsetzt. Zum Teil seien es auch Familienmitglieder, die etwa fragwürdige Abschreckungsmethoden an Schwulen und Lesben ausprobierten. Etwa 1000 Menschen seien in Deutschland jedes Jahr betroffen, schätzte er. Bis in die Siebzigerjahre hätten Ärzte noch versucht, Homosexualität durch Operationen am Gehirn oder durch Kastrationen zu beheben, sagte der Hamburger Sexualwissenschaftler Peer Briken. Auch Elektroschocks oder Brechmittel seien eingesetzt worden. In seinem Gutachten nennt er diese Eingriffe "Irrwege" der Medizin. Es gebe "keine Hinweise darauf, dass Homosexualität eine Störung oder gar Krankheit" sei. Nichts spreche dafür, dass Konversionsmaßnahmen wirksam seien. Vielmehr berichteten betroffene Menschen von negativen Folgen wie Depressionen und Angstzuständen.
Der Münchner Rechtsprofessor Martin Burgi kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass die heutige Rechtslage Betroffene kaum vor einem solchen unzulässigen Eingriff in ihre Gesundheit und sexuelle Selbstbestimmung schütze. Konversionsmaßnahmen seien diskriminierend und könnten deshalb auf der Grundlage des Grundgesetzes verboten werden. Fraglich sei aber, ob es sich künftig um einen Straftatbestand oder um eine Ordnungswidrigkeit handeln würde, wenn ein Therapeut gegen ein solches Verbot verstoße.
Die Grünen hatten bereits im Februar beantragt, sogenannte Heilungen von Homosexuellen zu verbieten. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Hilde Mattheis glaubt nun an eine "breite Mehrheit" dafür im Bundestag.