Prüfungspanne:Hunderte müssen Klausur wiederholen

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In der Bibliothek der Universität Konstanz lernen auch Jura-Studierende fürs Staatsexamen. Eine Klausurpanne in Konstanz hat für sie und Kommilitonen in ganz Baden-Württemberg nun Folgen. (Foto: Universität Konstanz)

Weil Jura-Studierenden in Konstanz die falsche Klausur ausgehändigt wurde, müssen nun alle Teilnehmer in Baden-Württemberg einen Teil ihres Staatsexamens wiederholen. Wie ein kleiner Fehler nun vielen zum Verhängnis wird.

Von Lilith Volkert

Den 1. März wird Maximilian Schels so schnell nicht vergessen. An diesem Tag tritt der Student an seiner Uni in Konstanz im ersten juristischen Staatsexamen zur Prüfung in Öffentlichem Recht an. Alles normal eigentlich, doch kaum haben die Prüfer verdeckt die Unterlagen ausgeteilt, bemerken sie einen Fehler: Auf den Tischen der 50 angehenden Juristen liegt nicht die Klausur zum Öffentlichen Recht, sondern die Strafrechtsklausur, die erst am 4. März geschrieben werden soll.

"Die Unterlagen wurden wieder eingesammelt und mehrfach gezählt. Und dabei hat eine gefehlt", berichtet Maximilian Schels der SZ. Ein Teilnehmer, der nicht namentlich genannt werden will, bestätigt dies. "Ich habe gefragt, was das für die Strafrechtsprüfung bedeutet", so Schels. "Mir wurde gesagt, es sei mit einer Ersatzklausur zu rechnen."

Doch es kommt anders. Obwohl für Zwischenfälle wie in Konstanz bei Staatsexamen immer eine Ersatzklausur bereitliegt, wird am 4. März die ursprüngliche Strafrechtsklausur verteilt. Für einen Ersatz habe es keinen Grund gegeben, erklärt das zuständige Landesjustizprüfungsamt auf Anfrage der SZ - denn die Aufsicht aus Konstanz habe gemeldet, dass alle Unterlagen vor Beginn der offiziellen Bearbeitungszeit wieder eingesammelt worden seien.

Weil die Chancengleichheit beeinträchtigt sei, sollen alle 871 Teilnehmer in Baden-Württemberg die Klausur wiederholen

Bei dieser Darstellung bleibt es allerdings nicht. Als das Prüfungsamt eine knappe Woche später einen Hinweis erhält und daraufhin in Konstanz genauer nachfragt, gibt die dortige Prüfungsaufsicht etwas anderes an: Die letzte Klausur sei einige Minuten nach Beginn der offiziellen Bearbeitungszeit zurückgegeben worden. Die Prüflinge hätten zu diesem Zeitpunkt ihre Blätter schon umgedreht. Weil besagter Hinweis nicht aus Konstanz, sondern aus einer anderen Stadt in Baden-Württemberg kam, befürchtet das Landesjustizprüfungsamt, der Klausurinhalt könnte unter Studierenden die Runde gemacht haben. Anhaltspunkte für eine Vervielfältigung gebe es jedoch nicht.

Am 15. März erhielten alle 871 Teilnehmer des ersten juristischen Staatsexamens in Baden-Württemberg per Mail die Nachricht, dass sie die Strafrechtsklausur wiederholen müssen. Durch den Vorfall "erscheint die Chancengleichheit aller Prüflinge in einem hohen Maße beeinträchtigt", schrieb die Behörde. Die Nachprüfung solle Mitte April stattfinden.

Unter den Betroffenen formiert sich Widerstand. Eine Petition gegen die Wiederholung hatten bis Sonntag mehr als 6100 Personen unterzeichnet. Christoph Raff, ein betroffener Student aus Tübingen, bezweifelt die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme und kritisiert die Argumentation des Landesjustizprüfungsamts. "Es ist erstaunlich, dass sich die Behörde 'gezwungen sieht', eine Nachprüfung anzuordnen", sagt er. "Dabei hat sie hier einen Ermessensspielraum."

Viele betroffene Studierende empfinden die Entscheidung als unfair - auch wegen der Corona-Bedingungen

Außerdem hält er die Entscheidung für unfair. "Für viele Studierende stellt so eine Staatsexamensprüfung eine enorme psychische Belastung dar", sagt er der SZ. "Manche beginnen außerdem am 1. April ihr Referendariat in einer anderen Stadt."

Justizminister Guido Wolf (CDU) sagt der SZ, die Situation sei "äußerst misslich und der Unmut der Prüfungskandidaten absolut nachvollziehbar". Doch das Landesjustizprüfungsamt sei nach Prüfung des gesamten Vorgangs zu dem Ergebnis gelangt, dass an einer Nachklausur kein Weg vorbeiführe.

Eine Jurastudentin aus Konstanz betont, wie belastend eine Nachprüfung in Pandemie-Zeiten sei. "Viele von uns haben sich wegen des Examens in den vergangenen Wochen isoliert. Wenn ich Mitte April die Strafrechtsklausur wiederholen muss, heißt das, dass ich meine Eltern an Ostern nicht besuchen kann."

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