Konflikte:Chaos im mazedonischen Parlament

Konflikte
Anhänger des langjährigen Regierungschefs Gruevski haben das Parlament erstürmt. Foto: Boris Grdanoski (Foto: dpa)

Skopje (dpa) - Nach Tumulten und blutigen Auseinandersetzungen im Parlament Mazedoniens hat Staatspräsident Djordje Ivanov zu Besonnenheit und Mäßigung aufgerufen.

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Skopje (dpa) - Nach Tumulten und blutigen Auseinandersetzungen im Parlament Mazedoniens hat Staatspräsident Djordje Ivanov zu Besonnenheit und Mäßigung aufgerufen.

Die Vorsitzenden der im Parlament vertretenen Parteien wurden aufgefordert, sich heute zu einem Gespräch zur Lösung des Problems in der Präsidialkanzlei einzufinden, berichteten die Medien in Skopje am späten Donnerstagabend. "Es gibt keine Fragen, die nicht im Dialog gelöst werden können." Ivanov, Parteigänger der abgewählten Nationalkonservativen, hatte selbst zu der monatelangen politischen Blockade in Mazedonien beigetragen.

Aufgebrachte Anhänger des abgewählten langjährigen Regierungschefs Nikola Gruevski hatten am Donnerstag in der Hauptstadt Skopje das Parlamentsgebäude gestürmt. Die teils vermummten Angreifer gingen mit Stühlen auf Abgeordnete der Regierungskoalition los, von denen nach Medienberichten acht verletzt wurden. Fotos zeigten, dass der designierte Regierungschef Zoran Zaev ebenso verletzt wurde wie der Vorsitzende einer Albanerpartei, Zijadin Sela. Nach Angaben des Innenministeriums wurden auch rund ein Dutzend Polizisten verletzt.

Der EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini verurteilten die Gewalt ebenso wie zahlreiche westliche Botschafter in Skopje. "Die Polizei muss die Sicherheit des Parlaments und seiner Mitglieder sicherstellen", heißt es in der über Twitter verbreiteten Stellungnahme. Auch der Europarat rief am späten Abend angesichts der "alarmierenden Lage" zur Deeskalation der Gewalt auf.

"Es herrscht Chaos", berichteten Augenzeugen über die Ereignisse im Parlamentsgebäude. Neben den Abgeordneten seien auch Journalisten verprügelt worden. Die Polizei sei nur mit wenigen Beamten vor Ort gewesen und habe den Ansturm nicht verhindert. Erst am späten Abend reagierte die Polizei mit einer kompletten Räumung des Gebäudes. Mit Tränengas wurde zunächst die Menschenmenge vor dem Parlament aufgelöst, danach drehten die Beamten im Gebäude den Strom ab.

Die Gewalt des Gruevski-Lagers war eine Reaktion auf die Wahl eines Präsidenten der Volksvertretung durch die neue Regierungsmehrheit. Die bisher oppositionellen Sozialdemokraten (SDSM) und Abgeordnete der albanischen Minderheit hatten den Albaner Talat Xhaferi zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt. Die langjährige Regierungspartei Gruevskis (VMRO) sprach von einem "Putsch". Hahn und Mogherini begrüßten aber die Wahl als demokratische Abstimmung.

Auch die US-Botschaft in Skopje rief zur Mäßigung auf. "Gewalt ist kein demokratischer und akzeptabler Weg, um Probleme zu lösen", zitierte die "Nova Makedonija" aus einer am späten Abend verbreiteten Mitteilung. Gleichzeitig erklärten die US-Diplomaten ihre Unterstützung für den neu gewählten Parlamentsvorsitzenden Xhaferi.

Seit der Wahl am 11. Dezember hatte das Gruevski-Lager die Regierungsbildung durch die neue Mehrheit verhindert. In den vergangenen vier Wochen hatten ihre Abgeordneten durch Dauerreden und Verfahrenstricks das Parlament lahmgelegt. Dadurch konnten weder ein Parlamentspräsident noch die neue Regierung gewählt werden. Der Staatspräsident wie auch der Parlamentspräsident hatten als enge Gefolgsleute Gruevskis dazu beigetragen.

Beim Sturm von Anhängern der bisherigen Regierung in Mazedonien auf das Parlament in Skopje sind rund 100 Personen verletzt worden. Das berichtete das Innenministerium in der Hauptstadt. Unter ihnen seien 3 Abgeordnete und 22 Polizisten. Alle seien in Krankenhäusern medizinisch versorgt worden.

Die Nachbarländer Mazedoniens zeigten sich von diesem Gewaltausbruch alarmiert. "Der Bürgerkrieg klopft an die Tür Mazedoniens", titelte die serbische Regierungszeitung "Novosti" in Belgrad. Griechenland rief seine Nachbarn auf, die Prinzipien der Demokratie und des Rechtsstaates einzuhalten. "Ohne diese (Prinzipien) werden (....) explosive Zustände erzeugt", erklärte das griechische Außenministerium. Serbiens Regierungschef Aleksandar Vucic, der auch das designierte Staatsoberhaupt ist, rief die Geheimdienste zu einer Eilsitzung zusammen.

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