Konflikte:Analyse: Himmel voller Drohnen

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Washington (dpa) - Tief in der Nacht beginnen die USA mit einem arabischen Fünferbündnis den Kampf gegen IS in Syrien. Es gibt die Hoffnung, dass die Angriffe den Wendepunkt im Krieg gegen die Extremisten bedeuten. Zugleich wird die Chorasan-Gruppe wegen "drohender Anschlagspläne" bombardiert.

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Washington (dpa) - Tief in der Nacht beginnen die USA mit einem arabischen Fünferbündnis den Kampf gegen IS in Syrien. Es gibt die Hoffnung, dass die Angriffe den Wendepunkt im Krieg gegen die Extremisten bedeuten. Zugleich wird die Chorasan-Gruppe wegen „drohender Anschlagspläne“ bombardiert.

„Der Himmel über Al-Rakka ist jetzt voller Drohnen“, twitterte Abdulkader Hariri als einer der Ersten am frühen Morgen. Er beschrieb den Beginn von US-Luftangriffen gegen die IS-Terrormiliz nun auch in Syrien. „Gewaltige Explosionen erschütterten die Stadt“, schilderte er am Dienstag direkt aus Al-Rakka, der Hochburg der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien. Wie ein Lauffeuer verbreiteten sich die Nachrichten im Netz. „Die Geräusche von Kriegsflugzeugen sind deutlich zu hören“, schrieb er Minuten später.

Keine Stunde später war klar: US-Präsident Barack Obama hatte den Angriffsbefehl erteilt. Sechs Wochen nach Beginn der Bombardements gegen IS-Stellungen im Irak weiten die USA ihre Luftangriffe auf das benachbarte Syrien aus.

Das Ziel sind Kommandozentren, Waffenlager, Führungsposten und Trainingscamps der Dschihadisten. Auch ein „Finanzzentrum“ und Versorgungsfahrzeuge des IS wurden laut Pentagon attackiert. Mehr als einen Monat hatten Kampfflieger auf ihren Überwachungsflügen Informationen gesammelt, um mehr Erkenntnisse über das Chaos in dem schwer umkämpften Land zu gewinnen.

Anders als im Irak, wo die Amerikaner alleine losschlugen und erst nach und nach militärische Unterstützung etwa von Frankreich bekamen, sicherten sie sich bei ihrer Syrien-Strategie schon vorher breiten Rückhalt in der Region. Saudi-Arabien, Jordanien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Katar kämpfen nun an der Seite des US-Militärs oder unterstützen die Angriffe, wie das Pentagon mitteilte. Diese Partner gelten als Schlüssel, um die Extremisten zurückzudrängen. Europäische Länder sind bei den Angriffen in Syrien bisher nicht dabei.

Schon die ersten Attacken waren auch eine Demonstration der Macht. Anders als die eher schnellen und gezielten Schläge auf Fahrzeuge und Panzer im Irak, die das Pentagon fast täglich in knappen Depeschen protokolliert, schlugen die USA und ihre fünf Verbündeten in Syrien nun härter zu. Kampfjets, Bomber und 47 „Tomahawk“-Marschflugkörper flogen. Auch Kampfdrohnen und das teure Jagdflugzeug F-22 „Raptor“ waren im Einsatz. Eine Angriffswelle aus mehr als 150 Raketen und Präzisionsbomben gingen auf mindestens 14 Ziele in Al-Rakka und Orten nahe der syrisch-irakischen Grenze nieder.

Im Alleingang nahmen die USA zugleich auch die Dschihadisten-Gruppe Chorasan ins Visier, um deren „drohende Anschlagspläne“ gegen Amerika und Europa zu stoppen: Trainingslager, eine Produktionsstätte für Waffen und Sprengstoff und ein Kommandozentrum wurden bei acht Schlägen unter anderem bombardiert. Dieser Teil der Attacken und die Hinweise auf mögliche Terrorattacken kam überraschend: Die erst im vergangenen Jahr gegründeten Miliz sei ein „Netzwerk erfahrener Al-Kaida-Veteranen“, hieß es vom Pentagon. Sprecher John Kirby sprach am Dienstag von „sehr, sehr effektiven“ Angriffen.

„Umfangreich und nachhaltig“ werde der Anti-Terror-Krieg gegen IS sein, hatte Obama den Amerikanern bei seiner Rede an die Nation vor zwei Wochen gesagt, als er sie auf einen langen Krieg gegen die laut CIA bis zu 31 000 Kämpfer starke Terrormiliz eingeschworen hatte. Für die am Mittwoch stattfindende UN-Generalversammlung und die Sitzung des Sicherheitsrats, die Obama leiten wird, sendet der Krieg des amerikanisch-arabischen Sechserbündnisses ein wichtiges Signal. Schon am Dienstag wurde Obama zum Klimagipfel in New York erwartet.

Die Bevölkerung Syriens, wo seit dreieinhalb Jahren ein erbitterter Bürgerkrieg tobt, muss sich nun auf noch schwerere Kämpfe und ein noch größeres Chaos gefasst machen. Zugleich können die Menschen hoffen, dass die breit angelegte Attacke gegen IS ein Wendepunkt bedeutet. Die syrische Regierung wurde rechtzeitig über die Angriffe informiert, habe aber in keiner Weise interveniert, sagte Kirby.

„Was für ein bedeutsamer Tag, ein Tag auf den wir uns so, so lang gefreut haben“, sagte ein Angehöriger der syrischen Opposition im Sender CNN. Der Moderator bemerkte, dass die Türkei in dem Bündnis fehle. Das einzige Nato-Mitglied in der Region hatte sich zum Schutz von 49 im Irak entführten Geiseln erst nicht an Attacken auf IS-Ziele beteiligen wollen. Ankara habe nach deren Befreiung nun aber keinen Vorwand mehr, sich herauszuhalten, bemerkten Moderatoren in Washington.

Die Luftangriffe allein werden den IS jedoch kaum besiegen. Als zweite Säule der Strategie gegen die Islamisten in Syrien soll eine Trainings- und Bewaffnungsmission des US-Militärs für als gemäßigt geltende Rebellen-Gruppen folgen. Noch wird gerätselt, wie das Pentagon die schwarzen Schafe bei dieser Operation aussieben und „gute“ von „bösen“ Rebellen unterscheiden will. Dass Präsident Baschar al-Assad indirekt von den Angriffen der Amerikaner und der arabischen Länder profitiert, müssen die IS-Gegner als kleineres Übel hinnehmen.

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