Kompromiss in der Gesundheitspolitik:Philipp Rösler - das Lachen des Verlierers

Künftig können die Krankenkassen Zusatzbeiträge in beliebiger Höhe festsetzen. Damit hat Gesundheitsminister Philipp Rösler ein Gefecht gegen seinen Widersacher Horst Seehofer gewonnen. Doch die Schlacht um die Kopfpauschale hat er verloren. Im Grunde kann er jetzt gehen.

Thorsten Denkler, Berlin

Am Morgen noch war ein Rücktritt nicht ausgeschlossen. Philipp Rösler, von der FDP als Minister ins Gesundheitsministerium entsandt, hatte schließlich den Einstieg in einen Systemwechsel im Gesundheitswesen versprochen. Daran wolle er sich messen lassen. Wenn ihm das nicht gelänge, dann müsse er auch nicht weiter Minister sein, sagte er kürzlich.

Pk Rösler

Strahlemann vor der Bundespressekonferenz: Gesundheitsminister Rösler verkauft sein Scheitern als Erfolg.

(Foto: dpa)

Das Problem: Auf der anderen Seite des Verhandlungstisches saß immer auch CSU-Chef Horst Seehofer. Der hat jedem in die Hand versprochen, genau so einen Systemwechsel hin zu einer Kopfpauschale werde er zu verhindern wissen.

Jetzt aber sitzt Rösler im großen Saal der Bundespressekonferenz und strahlt übers ganze Gesicht, als hätte er sich in der morgendlichen letzten Verhandlungsrunde für eine Gesundheitsreform in allen Punkten zu 100 Prozent durchgesetzt. Seehofer, der Verlierer des Tages.

Ganz so glanzvoll aber ist der Sieg von Rösler bei genauer Betrachtung dann doch nicht. Das bestehende System mit Zusatzbeiträgen und festem Beitragssatz wird lediglich an ein paar Stellen so aufgebohrt, dass Rösler sagen kann, der Koalitionsvertrag ist erfüllt. Dort steht nicht geschrieben, die Koalition wolle einen sofortigen radikalen Systemwechsel, sondern lediglich den Einstieg in eine einkommensunabhängige Finanzierung der Krankenversicherung.

Ein Einstieg ist das, keine Frage. Mehr aber auch nicht. Künftig können die Krankenkassen Zusatzbeiträge in beliebiger Höhe festsetzen. Das können dann schnell mehrere hundert Euro im Jahr werden, weil die Kassen die unvermeidlichen Kostensteigerungen im Gesundheitswesen nur noch über die Zusatzbeiträge abfedern können.

Der Steuerzahler springt nur noch bei sozialen Härten ein, dann nämlich, wenn der Zusatzbeitrag zwei Prozent des Lohneinkommens übersteigt. In dem Fall wird ihm zu viel gezahltes Geld über einen individuell geringeren prozentualen Beitragssatz zur Krankenversicherung zurückerstattet.

Gefecht gewonnen, Schlacht verloren

Mit der ursprünglichen Idee einer Kopfpauschale, die ihre Befürworter lieber verniedlichend Gesundheitsprämie nennen, hat der Kompromiss dennoch wenig zu tun. Das hätte bedeutet, es gibt für jeden Versicherten einen einheitlichen Beitragssatz. Wer sich den nicht leisten kann, bekommt einen Sozialausgleich über Steuereinnahmen.

Mit der Erhöhung des Krankenkassenbeitrages von 14,9 auf 15,5 Prozent jedoch verfestigt Rösler sogar zunächst das paritätische Bezahlsystem. Nur das, was darüber nicht finanziert werden kann, soll über Zusatzbeiträge in die Kassen kommen.

Das Problem dabei ist: Die Krankenkassen haben kaum Möglichkeiten, aktiv in die Kostenentwicklung einzugreifen. Sie müssen zahlen, was der Gesetzgeber im Leistungskatalog vorgibt. Sie bekommen zwar mehr Instrumente in die Hand, mit Krankenhäusern und Ärzten Verträge abzuschließen. Aber das macht alles nur einen überschaubaren Teil der Gesundheitskosten aus.

Die Politik ist mit diesem Kompromiss übrigens fein raus. Bisher wurde jede Beitragserhöhung von einer breiten öffentlichen Debatte begleitet. Diese Debatte wird es in Zukunft bei einem einheitlichen Beitragssatz und einer ganzen Phalanx von unterschiedlichen Zusatzbeiträgen, die Rösler schon vorsichtig Prämien nennt, nicht mehr geben. Wenn der Wettbewerb unter den Kassen über die Höhe der Zusatzbeiträge nicht funktionieren sollte, das Gesundheitswesen könnte zum Selbstbedienungsladen verkommen.

Rösler hat am Ende ein kleines Gefecht gewonnen gegen Horst Seehofer. Die Schlacht um die Kopfpauschale aber dürfte er verloren haben. Dafür fehlen ihm und seinen Mitstreitern aus der FDP die politischen Mehrheiten im Bund, in den Ländern und vor allem in der Gesellschaft. Im Grunde ein guter Zeitpunkt, das Amt niederzulegen. Nicht wegen Misserfolgs. Sondern wegen Perspektivlosigkeit.

Er wolle das System jetzt nach und nach weiterentwickeln, sagt Rösler, weil er davon ausgehe, dass auch die nächste Bundesregierung eine schwarz-gelbe sei. Allgemeines Schmunzeln im Saal. Rösler tut erst so, als sei er empört über die Ungläubigkeit der vor ihm sitzenden Journalisten. Dann grinst auch er.

Eine Spur zu lang, als dass ihm abzunehmen wäre, dass er das vorher Gesagte tatsächlich glaube.

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