Koalitionsvertrag:Nur noch sechs Monate Wehrpflicht

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Eine kürzere Wehrpflicht, mehr Geld für Bildung: Der Koalitionsvertrag nimmt Formen an: In zentralen Politikfeldern sind sich die Fachleute schon einig. Ein Überblick.

Die Arbeiten von Union und FDP am Koalitionsvertrag gehen voran. Während die besonders umstrittenen Punkte wie Steuern und Gesundheit wohl erst am Ende geklärt werden, ließ der Entwurf des Textes am Donnerstag schon viel Übereinstimmung erkennen. Ein Überblick über vier zentrale Politikfelder.

Die Koalition hält an der Wehrpflicht fest, verkürzt sie aber zum 1. Januar 2011 von neun auf sechs Monate. Auf diesen Kompromiss verständigten sich die Unterhändler von Union und FDP im Vorfeld der Beratungen in der sogenannten großen Runde. Die FDP hatte die Wehrpflicht "aussetzen" wollen, die Union beharrte auf ihrer Beibehaltung.

Einigkeit bestand auch darin, dass für Afghanistan eine "Strategie der Übergabe in Verantwortung" nötig sei. Die Zuständigkeit für den Aufbau des Landes und für die Sicherheit soll schrittweise den Afghanen übertragen werden. Die in Deutschland mit Afghanistan befassten Ressorts - Auswärtiges Amt, Verteidigungs-, Innen- und Entwicklungsministerium - sollen zur besseren Koordinierung ihrer Politik einen Kabinettsausschuss bilden. Für die Abstimmung mit internationalen Partnern soll ein Sonderbotschafter eingesetzt werden.

Bei internationalen Einsätzen von Bundeswehr oder Polizei will die künftige Koalition eine "Kultur der Zurückhaltung" an den Tag legen. Einsätze werde es nur auf völkerrechtlicher Grundlage im Rahmen von UN, Nato und EU geben. In künftigen Mandaten des Bundestags für Auslandseinsätze sollen die Aufgaben und die verantwortlichen Ressorts konkret benannt werden. Der deutsche Beitrag zur UN-Überwachungsmission vor der libanesischen Küste soll schrittweise beendet werden. Die diversen Operationen zur Bekämpfung von Piraterie und Terrorismus am Horn von Afrika sollen besser koordiniert, die Vielzahl der Mandate reduziert werden.

Zum möglichen Beitritt der Türkei zur EU heißt es in dem Entwurf, die seit 2005 laufenden Verhandlungen seien ein Prozess mit offenem Ende. Sollte die EU nicht aufnahmefähig sein oder die Türkei ihre Verpflichtungen einer Mitgliedschaft nicht erfüllen können, müsse die Türkei "in einer Weise, die ihr privilegiertes Verhältnis zur EU weiter entwickelt, möglichst eng an die europäischen Strukturen angebunden werden".

Die zentrale Verhandlungsrunde billigte auch den Teil des Koalitionsvertrages, der sich mit dem Thema Gesundheit beschäftigt, klammerte jedoch eine zentrale Streitfrage aus: Über die Zukunft des Gesundheitsfonds wollen die Parteichefs nun in kleiner Runde entscheiden. Klar ist, dass die elektronische Gesundheitskarte vorerst nicht kommen wird.

Die Praxisgebühr wollen FDP und Union überprüfen und möglicherweise abschaffen. Medizinische Versorgungszentren dürfen künftig nur noch entstehen, wenn sie mehrheitlich im Besitz von Ärzten sind und von Ärzten geführt werden. Auch die umstrittene Honorierung für die niedergelassenen Mediziner wollen die angehenden Koalitionäre kritisch überprüfen und überarbeiten.

Zentraler Aspekt der Vorhaben ist auch eine Stärkung der privaten Krankenversicherung. Die Pflegeversicherung soll künftig ein Element erhalten, durch das die Versicherten für das Alter eine Rücklage ansparen können. Wie das genau aussehen wird, soll in einer Arbeitsgruppe geklärt werden.

Hier übernimmt die große Runde im wesentlichen die Elemente, auf die sich bereits die Arbeitsgruppe geeinigt hatte. Dazu gehört die Verabredung, man wolle im Gesetz über die Befugnisse des Bundeskriminalamtes (BKA) "den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung optimieren".

Online-Durchsuchungen von Computern müssen künftig von einem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof angeordnet werden und nicht mehr vom Amtsgericht in Wiesbaden, wo das BKA seinen Sitz hat. Auf gespeicherte Telekommunikationsdaten soll bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur bei "einer konkreten Gefahr für Leib, Leben und Freiheit" zugegriffen werden.

Breiten Raum widmet der Entwurf der Informations- und Mediengesellschaft und dabei besonders der Nutzung des Internets. Der Datenschutz im Netz soll verbessert, das Urheberrecht gewahrt bleiben. Internet-Seiten mit kinderpornographischem Inhalt sollen nicht gesperrt, sondern gelöscht werden. Nach einem Jahr soll geprüft werden, ob dies ein taugliches Verfahren ist.

Eine "Stiftung Datenschutz" soll analog zur Stiftung Warentest Produkte und Dienstleistungen auf ihre "Datenschutzfreundlichkeit" testen. Auch der Arbeitnehmer-Datenschutz soll dahingehend verbessert werden, dass ein Arbeitgeber nur solche Daten verarbeiten darf, die für das Arbeitsverhältnis erforderlich sind.

Den Bauern soll mit einem Sofortprogramm in Höhe von einer Milliarde Euro geholfen werden. Darauf haben sich die Agrarfachleute der angehenden Koalitionspartner nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in der Nacht zum Donnerstag geeinigt.

Das Programm besteht aus verschiedenen Bausteinen und erstreckt sich über mehrere Jahre. Unter anderem soll die steuerliche Entlastung beim Agrardiesel, die bislang auf zwei Jahre begrenzt ist, unbefristet gelten. Zudem sollen Landwirte die Möglichkeit erhalten, Risikoausgleichsrücklagen zu bilden, so dass sie Gewinne aus guten Jahren mit Verlusten aus schlechten Jahren verrechnen können.

Den Milchbauern, die seit Monaten unter dem starken Verfall der Milchpreise leiden, wollen die künftigen Koalitionäre mit einem Schulmilchprogramm helfen, bei dem jeder Schüler jeden Tag eine Tüte Milch finanziert bekommt. Allein dieses Projekt habe ein Volumen von ungefähr 500 Millionen Euro, hieß es. Sofern das von den Unterhändlern beschlossene Programm von der großen Runde unter dem Vorsitz der Parteichefs bestätigt wird, würden die deutschen Landwirte damit etwa eine Milliarde Euro erhalten.

Nach den Worten von CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder verständigten sich Union und FDP auf zusätzliche Milliarden für Bildung und Forschung. In den kommenden Jahren sollten "jährlich drei Milliarden Euro" dafür ausgegeben werden, sagte Kauder am Donnerstagabend am Rande der Verhandlungen. Damit solle das Ziel erreicht werden, künftig die Ausgaben für Bildung und Forschung auf zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern.

Nach den Worten von Bildungsministerin Annette Schavan, die Bildung "das zentrale Thema"der Zukunft nannte, will der Bund damit seinen Anteil an zusätzlichen Bildungsinvestitionen erhöhen. Derzeit liegt der Anteil der Gesamtausgaben in Deutschland von Bund und Ländern bei etwa neun Prozent.

Für die höhere Quote wären 25 Milliarden Euro zusätzlich nötig, die sich Bund und Länder teilen sollen. Bislang war geplant, dieses Ziel im Jahr 2015 zu erreichen. Dies war auf dem "Bildungsgipfel" vor einem Jahr vereinbart worden.

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