Koalitionspoker in Thüringen:Der Wolf frisst Kreide

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Linkspolitiker Bodo Ramelow versucht alles, um ein rot-rot-grünes Bündniss in Thüringen auf die Beine zu stellen - und gibt dabei Rätsel auf.

Christiane Kohl

Bodo Ramelow gibt wieder einmal Rätsel auf. "Eine kluge starke Frau" solle Ministerpräsidentin eines möglichen rot-rot-grünen Bündnisses in Thüringen sein, hat der Linkspolitiker nun erklärt - und sie dürfe gerne von den Grünen kommen, dem kleinsten Partner seiner Möchtegernkoalition.

Wen Ramelow dabei im Auge hat, sagt er nicht. Und es ist vermutlich auch gar nicht so wichtig. Denn in Wahrheit handelt es sich wohl eher um einen taktischen Vorschlag, der punktgenau zur Landesversammlung der thüringischen Grünen am Freitagabend kam: ein Versuch, den Grünen die Mitarbeit in einem Linksbündnis noch etwas schmackhafter zu machen.

Doch der Linkspolitiker hat mit seinem Vorstoß auch die thüringische SPD im Auge, wo sein persönlicher Hauptgegner sitzt: Christoph Matschie. Dass der Landeschef der SPD derzeit mit Seelenruhe mal mit der Linkspartei und mal mit der CDU Sondierungsgespräche führt, ganz ersichtlich mit dem Ziel, die Preise für die SPD heraufzutreiben, muss den ungeduldigen Ramelow bis zur Weißglut reizen.

Und es ärgert ihn wohl auch ungemein, dass Matschie in einem möglichen rot-rot-grünen Bündnis gern persönlich das Ministerpräsidentenamt erklimmen würde. Ebendas will Ramelow auf jeden Fall verhindern. Insofern klingt es schon etwas amüsant, wenn er das angebliche "Machogehabe und Alphatierchen-Verhalten" der anderen geißelt - Ramelow ist nicht ganz frei davon.

Natürlich geht es dem linken Spitzenmann mit seinem Vorschlag wohl nicht darum, ein "neues Kapitel der politischen Kultur" aufzuschlagen, wie er jetzt hochtrabend verkündet. Drei Parteien, die in frommer Eintracht eine Kandidatin des schwächsten Partners zu ihrer Regierungschefin wählen - da fehlt nur noch Beethovens "Alle Menschen werden Brüder".

Nein, so naiv ist Ramelow nicht, dass er ernsthaft glauben könnte, dergleichen würde funktionieren. Vielmehr gibt es noch einen weiteren Hintergedanken in seinem Kalkül, und dieser zielt auf die Basis der thüringischen SPD. Noch vor etwas über einem Jahr waren die Sozialdemokraten in Thüringen total gespalten: Zwischen Matschie und Richard Dewes, seinem Vorgänger im Amt des SPD-Landeschefs, tobte ein Krieg um die Frage, wie es die Sozialdemokraten mit der Linkspartei halten sollten. Dewes wollte in jedem Fall mit den Linken koalieren, Matschie hingegen nur, wenn die SPD den Ministerpräsidenten stellen dürfe.

Der Kampf wurde für Matschie entschieden, um des lieben Parteifriedens willen. Indes war vielen klar, dass angesichts der Kräfteverhältnisse zwischen SPD und Linkspartei seine Idee gar nicht realisierbar war. Nun ist für das fragile Gleichgewicht in der Thüringen-SPD der Ernstfall eingetreten. Und Ramelow unternimmt alle Anstrengungen, um die SPD-Basis zu animieren, den "Politikwechsel" mit der Linkspartei möglich zu machen. Deshalb frisst der Wolf jetzt so viel Kreide, wie er fassen kann.

© SZ vom 19.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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