Koalition: Schwarz-gelbe Gespräche:Es wird nicht mehr regnen in Berlin

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Union und FDP trafen sich zum zweiten Mal zu Koalitionsgesprächen - und loteten Spielräume aus. Die Kanzlerin gibt nur die Wetterprophetin.

Th. Denkler, Berlin

Selten, dass drei Generalsekretäre beisammenstehen und nicht einmal eine Minute brauchen, um die Ergebnisse einer Sitzung zu präsentieren. Ronald Pofalla für die CDU, Alexander Dobrindt für die CSU und Dirk Niebel für die FDP postieren sich vor einer neutralen weißen Wand in der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen.

Jeder hat kaum mehr als zwei Sätze zu sagen. Den wichtigsten sagt Pofalla direkt am Anfang: "Wir haben uns auf ein Finanztableau bis 2013 verständigt." Damit hätten die Arbeitsgruppen jetzt einen Rahmen, in dem sie sich mit ihren Vorschlägen bewegen könnten. Ende der Durchsage.

Inhaltlich haben Pofallas Kollegen nichts mehr hinzuzufügen. Dann Abgang. Fragen waren nicht erwünscht.

Dreieinhalb Stunden haben die Unterhändler von CDU, CSU und FDP in der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen zusammengesessen. Fast ein Schnellschuss nach den neun Stunden vom Montag. Es ist dies die zweite große Runde in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und FDP an diesem verregneten Berliner Morgen.

Stolzer Westerwelle

FDP-Parteichef Guido Westerwelle würde sagen, hier trifft sich die "große Koalitionsrunde". Bei dem Wort "große" wippt er dann gewöhnlich auf den Zehenspitzen. Er betont das Wort "große", so dass es klingt, als würde er von einer großen Koalition sprechen, die zu Verhandlungen zusammenkommt. So aufgepumpt wie Westerwelle nach dem 15-Prozent-Erfolg bei der Bundestagswahl durch Berlin stolziert, würde das gut passen.

In erster Linie geht es um Finanzen. Aber, so ist zu hören, wenig um Details. Wie das Finanztableau aussieht, von dem die Generalsekretäre sprachen, war dagegen nicht zu hören. CSU-Chef Horst Seehofer schaffte es, fünf Minuten lang umringt von Fernsehteams und Journalisten mitten auf der Hiroschimastraße vor der Landesvertretung jede Frage nach Inhalten der Koalitionsrunde mit einem stoischen aber gelächelten "inhaltlich nichts" zu parieren.

Seehofer stellte sich zumindest den Fragen. Westerwelle hingegen kam in der Früh durch den Seiteneingang und ging so auch wieder. Kanzlerin Angela Merkel ließ sich nur am Morgen kurz blicken. Ganz in Schwarz gekleidet entstieg sie ihrer Limousine. Ihr Satz des Tages: "Der Regen hört bald auf." Wenn das metaphorisch gemeint war, dann müssen die Verhandlungen gerade ziemlich stocken.

Unwahrscheinlich wäre das trotz aller Fensterreden nicht. Denn richtig groß kann der finanzielle Spielraum für die kommenden Kleinkoalitionäre nicht sein. Die Wirtschaftsweisen haben am Morgen festgestellt, dass allein durch die im Grundgesetz festgelegte Schuldenbremse "unabweisbar" bis 2016 wohl 1,25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eingespart werden müssten - also etwa 37 Milliarden Euro jährlich.

Teilnehmer der Koalitionsverhandlungen nannten dagegen 29 bis 34 Milliarden Euro, die bis 2013 fehlen würden, je nach Konjunkturprognose. Aus CDU und CSU wird kolportiert, es gebe einen Spielraum von 15 Milliarden Euro für Steuergeschenke. Mehr sei nicht drin. Wenn das stimmt, dann kann die FDP ihre große Steuerreform mit Entlastungen von bis zu 80 Milliarden Euro, wie das Bundesfinanzministerium vor der Wahl errechnet hat, erst mal auf Eis legen.

Zweifel in der FDP

Die Zahlen aber werden in der FDP bezweifelt. Es gehe nicht um Spielräume, sondern um ein steuerpolitisches Konzept. Das geht in etwas so: Möglichst weit runter mit den Steuern, der Rest ergibt sich von selbst. Das ist die liberale Art der Haushaltskonsolidierung.

Sicher scheint nur: Irgendwas für Familien wird es geben. Ein "Weihnachtsgeschenk", wie CDU-Unterhändler Michael Fuchs lästerte. Der Kinderfreibetrag könnte auf 8004 Euro steigen, dazu käme dann zwingend eine Erhöhung des Kindergeldes.

Das sei rechtlich nicht anders möglich, darin zumindest waren sich nach der Sitzung FDP-Vize Rainer Bürderle und Unionsfraktionschef Volker Kauder einig. Im Zweifel wird es daran nicht scheitern: Verteilen macht immer Spaß. Im Mai wird in Nordrhein-Westfalen gewählt, da braucht es positive Signale.

Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, wollte das auf Nachfrage so nicht stehen lassen. Er verwies in kleiner Runde darauf, dass es ohnehin schon Entlastungen zum 1. Januar geben werde. Allerdings sind die noch von der großen Koalition beschlossen worden, taugen also nicht für schwarz-gelbes Schulterklopfen.

Die Stimmung jedenfalls soll gut sein, das sagt jeder. Wenn man von kleineren Scharmützeln mal absieht. In der für Landwirtschaft zuständigen Arbeitsgruppe muss CSU-Chef Seehofer wohl für Irritationen gesorgt haben, weil der die Themen Milch und Gentechnik kurzerhand zur Chefsache erklärt habe.

Christel Happach-Kasan, Agrarexpertin der FDP, hatte mitgeteilt, sie sei "total geschockt" gewesen, als Ilse Aigner, das ist die Landwirtschaftsministerin von der CSU, ihre Nichtzuständigkeit erklären musste.

Aber in Bayern gingen die Uhren schon immer anders.

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