Klima:Europa soll grün werden

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Die EU-Kommission will von 2035 an keine neuen Benzin- und Dieselautos mehr erlauben. Auch Heizen und Reisen könnten mehr kosten.

Von Karoline Meta Beisel, Thomas Hummel und Matthias Kolb

Die EU-Kommission hat einen umfassenden Umbau der europäischen Wirtschaft hin zu mehr Klimaschutz vorgeschlagen - fast auf den Tag genau zwei Jahre, nachdem sich Ursula von der Leyen im Europaparlament mit ihrer Idee von einem Grünen Deal erfolgreich um das Amt der Kommissionspräsidentin beworben hatte. Damals habe sie das Ziel ausgerufen, Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu machen, also bis 2050 nicht mehr Treibhausgase auszustoßen, als anderswo kompensiert werden können. "Jetzt ist Europa der erste Kontinent, der einen umfassenden Rahmen präsentiert, um unsere Ziele zu erreichen", sagte von der Leyen am Mittwoch in Brüssel.

Das Gesetzespaket, das sie bei einer Pressekonferenz mit sechs ihrer Kommissare präsentierte, zielt vor allem auf das Klimazwischenziel für 2030, die Emissionen um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern. Es enthält Maßnahmen für viele Wirtschaftsbereiche, von der Energie- und Verkehrspolitik über die Nutzung von Wäldern bis hin zur Steuerpolitik. Wenn die Kommission sich mit ihren Vorschlägen durchsetzt, dürfte jeder EU-Bürger die Auswirkungen spüren.

So will die Kommission für den Treibhausgas-Ausstoß aus dem Straßenverkehr und von Gebäuden einen neuen Emissionshandel aufbauen - was sich in höheren Sprit- und Heizkosten bemerkbar machen dürfte. "Gebäude verbrauchen 40 Prozent unserer Energie, und die Emissionen aus dem Straßenverkehr sind kontinuierlich gestiegen", sagte von der Leyen. Darum müsse der Ausstoß von Kohlendioxid einen Preis bekommen - "um Verbraucher, Produzenten und Erfinder dazu zu bringen, sich für saubere Technologien und Produkte zu entscheiden".

Wirtschaftlich schwache Haushalte sollen unterstützt werden

Über diesen Vorschlag hatte es bereits im Vorfeld heftige Debatten gegeben; viele Regierungen fürchten Widerstand in der Bevölkerung. Darum soll ein Teil der Einnahmen aus diesem Emissionshandel in einen Fonds fließen, aus dem wirtschaftlich schwächere Haushalte bei den Mehrkosten unterstützt werden können.

Auch der Flug- und Schiffsverkehr muss sich auf strengere Regeln einstellen. So sollen Kraftstoffanbieter an europäischen Flughäfen dazu verpflichtet werden, dem bisherigen Flugzeugbenzin nach und nach mehr nachhaltigen Kraftstoff beizumischen.

Damit europäische Unternehmen durch die strengeren Klimaregeln im internationalen Wettbewerb keine Nachteile erleiden, will die EU-Kommission einen Ausgleichsmechanismus etablieren. Nicht-EU-Unternehmen müssten einen Aufschlag zahlen, wenn sie bestimmte schmutzig hergestellte Waren in die EU einführen. Indien und die USA haben sich bereits kritisch zu dieser Idee geäußert, Beobachter fürchten, der Vorschlag könne zu neuen Handelsstreitigkeiten führen. Von der Leyen sagte der SZ vorab, sie sehe den Grenzmechanismus auch als "Einladung" an andere Staaten, den Ausstoß von Kohlendioxid in ihren Ländern ebenfalls an einen Preis zu koppeln. Dann werde kein Grenzausgleich fällig.

Für die deutsche Autoindustrie könnte ein anderes Element des Gesetzespakets enorme Auswirkungen haben: Dem Vorschlag der EU-Kommission zufolge sollen von 2035 an nur noch emissionsfreie Autos zugelassen werden. Da emissionsfreie Alternativen zu Benzin und Diesel bisher noch nicht mit vertretbarem Aufwand produziert werden können, dürfte dieser Vorschlag auf ein Ende des Verbrennungsmotors hinauslaufen. Viele Hersteller hätten bereits angekündigt, vollständig auf emissionsfreie Autos umsteigen zu wollen. "Wir haben uns an diesen ehrgeizigen Zielen orientiert", sagte von der Leyen. Um Verbrauchern den Umstieg auf E-Mobilität zu erleichtern, soll das Netz an Ladestationen massiv ausgebaut werden: auf Hauptstraßen soll dann alle 60 Kilometer eine Ladesäule für E-Autos stehen und alle 150 Kilometer eine für Wasserstoff.

Das Europaparlament und die Mitgliedstaaten müssen den Vorschlägen noch zustimmen. In Brüssel wird damit gerechnet, dass die Beratungen dazu mindestens zwei Jahre dauern werden.

Die Vorschläge der EU-Kommission wurden überwiegend positiv aufgenommen. Es gehe um "nichts weniger als eine neue industrielle Revolution", sagte etwa Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Gerade aus der Automobilindustrie kommt aber auch Kritik. So warnte die Chefin des Verbands der Automobilindustrie Hildegard Müller: "Zulieferer werden beim radikalen Wandel straucheln - mit harten wirtschaftlichen und sozialen Folgen."

Umweltverbände kritisierten die Vorschläge dagegen insgesamt als unzureichend: "Das ganze Paket basiert auf einem zu niedrigen Ziel, entspricht nicht dem Stand der Wissenschaft und wird die Zerstörung der lebenserhaltenden Systeme unseres Planeten nicht verhindern", sagte Greenpeace-Europachef Jorgo Riss.

Von der Leyen sagte, natürlich werde es Diskussionen um die Details geben. Wandel in diesem Umfang sei niemals leicht. Aber wenn es um den Klimawandel gehe, sei Nichtstun keine Alternative: "Beim Klimawandel bedeutet nichts tun, alles zu verändern."

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