Klausur in Meseberg:Geisterbeschwörung im Schloss

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Drei Wochen nach Amtsantritt geht die neue Bundesregierung in Klausur - bei dem Treffen soll auch der Realitätssinn der Minister geschärft werden.

P. Blechschmidt

Mit renovierten Herrensitzen ist die Umgebung Berlins mittlerweile reich gesegnet. In den vergangenen Jahren haben diverse Bundesregierungen diese Örtlichkeiten für ihre Kabinettsklausuren genutzt. Eine gepflegte Umgebung stimmt die Gäste zufrieden und liefert schöne Bilder für die Öffentlichkeit.

Politisieren in stilvoller Atmosphäre: Das Barockschloss Meseberg in der Mark Brandenburg dient seit fast drei Jahren als Gästehaus der Bundesregierung. (Foto: Foto: ddp)

Und wo ein Schloss ist, lässt sich auch ein Geist beschwören. Ob es immer ein guter ist, weiß man oft erst mit gebührendem zeitlichen Abstand. Neu-Hardenberg, Genshagen und jetzt zum zweitenmal Meseberg nördlich von Berlin stehen für den Versuch, einer Regierung mit Ministern unterschiedlicher Parteien so etwas wie Teamgeist einzuhauchen.

Knapp drei Wochen nach ihrem Amtsantritt ziehen sich die Minister der neuen schwarz-gelben Bundesregierung in die Idylle der Mark Brandenburg zurück, um ihr Arbeitsprogramm für das nächste Jahr festzulegen und um sich, wie es heißt, besser kennenzulernen. Das scheint dringend notwendig zu sein, denn der Start der von beiden Seiten als Wunschbündnis porträtierten Regierungsehe war eher holperig und von vielen Nadelstichen begleitet.

Hier soll es menscheln

Schon wird an den "Geist von Meseberg" erinnert, der im Sommer 2007 bereits einmal herhalten musste, um die Berliner Koalitionspartner - damals Union und SPD - nach heftigen Zerwürfnissen wieder auf einen gemeinsamen Kurs zu bringen. Lange hat die damals gefundene Harmonie übrigens nicht gewährt.

Das Barockschloss Meseberg dient nach aufwendiger Totalsanierung seit Januar 2007 als Gästehaus der Bundesregierung. Der Dichter Theodor Fontane bezeichnete es in seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" als "Zauberschloss".

Hier also sollen das gemeinsame Abendessen und anschließende Kamingespräch in stilvoller Atmosphäre dazu beitragen, dass es zwischen den Ministern "menschelt", wie einer der Organisatoren sagt. Schließlich sei es etwas anderes, ob man unter einem Dach nächtigt und sich auch beim Frühstück wieder trifft oder ob man nach routinemäßiger Kabinettssitzung rasch wieder auseinanderstrebt. Vielleicht erlaubt ja auch das Wetter noch einen Spaziergang im Park - auch so etwas kann verbinden.

Im Übrigen sei der innere Zustand der Koalition viel besser als ihr äußeres Erscheinungsbild, versichert ein Liberaler. Und aus dem Unionslager heißt es, am Kabinettstisch gehe man doch sehr respektvoll miteinander um.

Missklänge in der Begleitmusik dürfe man nicht überbewerten, mahnen die Interpreten der neuen Regierungspolitik. Wenn CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt über steuerlichen "Theorie-Murks" der FDP lästert und die neue liberale Fraktionschefin Birgit Homburger ihm darob bedauernswerten Gedächtnisschwund attestiert, so gilt dies als das übliche Geplänkel zwischen politischen Partnern, von denen jeder versucht, aus dem Koalitionsvertrag das für sich Beste herauszulesen.

Sinn für die Realitäten

Mit dem Unterton des wissenden und deshalb besonders nachsichtigen Hausvaters wird im Unionslager gern darauf verwiesen, dass die FDP schließlich elf Jahre lang in der Opposition war und sich der fürs Regieren notwendige Realitätssinn eben nicht in wenigen Wochen einstellen könne. Viele potentielle Störenfriede sind in Meseberg auch gar nicht dabei. Kabinettsklausur heißt, dass Fraktionschefs und Parteivorsitzende - sofern sie nicht Minister sind, im vorliegenden Fall also der von der CSU - außen vor bleiben.

Den Sinn für die Realitäten soll in Meseberg vor allem Finanzminister Wolfgang Schäuble schärfen. Er soll seinen Kabinettskollegen, die ja nicht nur in Sachen Steuerreform lange Wunschzettel mitbringen, deutlich machen, was geht und was nicht geht im nächsten Jahr und in der ganzen Legislaturperiode.

Aber es gibt auch Konfliktstoff, der nichts mit Geld zu tun hat, wie der Streit zwischen CSU und FDP über die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach. Die CSU unterstützt die CDU-Abgeordnete in dem Bestreben, in den Beirat der Bundesstiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" einzuziehen, die FDP lehnt dies ab. An diesem Dienstag wollte der Bund der Vertriebenen Steinbach offiziell nominieren.

Am Wochenende zeichnete sich eine Entspannung ab. Nach Informationen der Bild am Sonntag will die Organisation ihre Entscheidung vertagen. Steinbach selbst ließ offen, ob es einen Beschluss geben wird. Der Atmosphäre bei der Kabinettsklausur täte eine Vertagung sicher gut.

© SZ vom 16.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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