Kehrtwende bei der Brennelementesteuer:Alles wäre im Eimer

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Laufzeiten hin oder her: Verzichtet die Regierung tatsächlich auf die Brennelementesteuer, wäre das eine halsbrecherische politische Volte der Kanzlerin. Merkel müsste sich wieder den Verdacht gefallen lassen, zu viel Rücksicht auf die Stromversorger zu nehmen. Für die Energieriesen ist nur wichtig, welche Zahl am Ende unter dem Strich steht. Für die Kanzlerin aber ist es eine Rechnung, die schlicht nicht aufgehen kann.

Nico Fried

Die Brennelementesteuer, die offiziell Kernbrennstoffsteuer heißt, hat nicht nur einen komplizierten Namen, sondern auch eine verwirrende Geschichte. Die Bundesregierung nahm sie im Sommer 2010 in ihr Sparpaket auf und zwar, wie es Angela Merkel damals fast wörtlich formulierte, als steuerliche Gegenleistung der Energiewirtschaft für die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken.

Streit über die Brennelementesteuer: Die Regierung erwägt offenbar, auf die Abgabe zu verzichten. (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

Nach der Verlängerung der Laufzeiten im Herbst 2010 war plötzlich genau dieser Zusammenhang aufgehoben und die Steuer nur noch eine stinknormale Steuer, die zu entrichten sein sollte, Laufzeiten hin oder her.

Mittlerweile sind einige Monate vergangen und wesentliche Bestandteile eines japanischen Kernkraftwerks in die Luft geflogen.

Die Kanzlerin versucht sich deshalb an einer atompolitischen Vollbremsung, die bei den Energiekonzernen auf wenig Begeisterung trifft. Um dem ein wenig nachzuhelfen, erwägt die Regierung nun offenbar, auf die Brennelementesteuer zu verzichten.

Ein solcher Verzicht wäre eine beachtliche, politisch halsbrecherische Volte. Denn um ihn logisch erscheinen zu lassen, müsste die Kanzlerin wieder auf ihr ursprüngliches Argument zurückgreifen, dass die Energiewirtschaft ihren zusätzlichen Profit aus der Laufzeitverlängerung mit einem zusätzlichen Obolus an die Gemeinschaftskasse vergelten soll.

Nur so ginge umgekehrt die Gleichung auf, nach der keine Laufzeitverlängerung auch keine Brennelementesteuer bedeuten würde. Das heißt: Die Regierung würde mit den Begründungen für oder gegen eine Steuer immer wieder so lange jonglieren, bis es ihr passt, aber nicht so, dass es noch irgendjemand versteht.

Für die Stromkonzerne zählt am Ende nur, welche Zahl unter dem Strich steht. Für Kanzlerin Merkel aber ist es eine unlösbare Rechnung. (Foto: dapd)

Für die Energiekonzerne ist letztlich die Zahl entscheidend, die unterm Strich steht. Für die Kanzlerin aber ist es eine Rechnung, die schlicht nicht aufgehen kann. Merkel würde sich wieder dem Verdacht aussetzen, zu viel Rücksicht auf die Stromversorger zu nehmen und sich die Zustimmung der Konzerne zu erkaufen. Die Transparenz und der Konsens und all die anderen schönen Ziele, die Merkel für ihre Energiewende postuliert hat, wären im Eimer.

Am 6. Juni wird das Kabinett über den Atomausstieg und seine finanziellen Folgen entscheiden. Der 7. Juni ist der erste Jahrestag des Sparpakets. Die Kürzungen im Sozialbereich sind mittlerweile auf den Weg gebracht worden, zuletzt am Mittwoch die Streichungen in der Arbeitsmarktpolitik. Die von Angela Merkel vollmundig angekündigte Beteiligung der Wirtschaft bestünde hingegen aus einer Transaktionssteuer, die es noch nicht gibt (minus zwei Milliarden Euro im Jahr) und einer Brennelementesteuer, die es nicht mehr geben soll (minus 2,3 Milliarden Euro).

Die Steuersenkungspartei FDP ist übrigens gegen die Abschaffung der Brennelementesteuer. Die Liberalen sind also - jetzt aufgepasst! - der Garant dafür, dass es unter Schwarz-Gelb noch einigermaßen gerecht zugeht.

© SZ vom 26.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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