Kaschmir-Konflikt:Versöhnungsgeste inmitten der Drohungen

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Patriotischer Empfang für den indischen Piloten in Amritsar. (Foto: Danish Siddiqui/REUTERS)
  • In Indien wird der von Pakistan abgeschossene Luftwaffenpilot wie ein Held empfangen.
  • Der Pilot war am Mittwoch abgeschossen worden und kam auf der pakistanischen Seite der Grenzlinie in Kaschmir zu Boden.
  • Der Zwischenfall war der vorläufige Höhepunkt der schwersten Krise zwischen den Nachbarstaaten seit drei Jahrzehnten.

Von Paul-Anton Krüger und Arne Perras, Hanoi

Den ganzen Freitag wartete Indien auf die Rückkehr eines Helden. Tausende Menschen hatten sich am Grenzübergang Wagah versammelt, wegen des Andrangs fiel sogar die zackige Zeremonie zum Wachwechsel am Abend aus. Mit einer 28 Kilo schweren Blumengirlande wollten die Menschen Abhinandan Varthaman begrüßen. Der Pilot war am Mittwoch mit seiner MiG-21 von pakistanischen Kampfjets abgeschossen worden und ging auf der pakistanischen Seite der Grenzlinie in Kaschmir zu Boden, der zwischen den beiden südasiatischen Atommächten umstrittenen Gebirgsregion. Es war der vorläufige Höhepunkt der schwersten Krise zwischen den Nachbarländern seit drei Jahrzehnten. Als Friedensgeste hatte Pakistans Premier Imran Khan tags zuvor die Übergabe angekündigt.

Nachmittags um zwei Uhr sollte der Pilot den schwer gesicherten Grenzübergang überqueren, hieß es erst, dann um sieben Uhr abends. Offiziere bereiteten Dokumente vor; Papierkram soll die Freilassung verzögert haben. Die Dunkelheit hatte sich lange über die Region gesenkt, als ein Konvoi von Regierungsfahrzeugen zur Grenze raste. In weißem Hemd, dunklem Jacket und grauer Hose wurde der Oberstleutnant von pakistanischen Rangern zur Demarkationslinie geleitet. Da stand er unter der riesigen grün-weißen pakistanischen Flagge, bis sich das Gittertor öffnete. Indische Soldaten nahmen ihn in Empfang, während auf pakistanischer Seite das Tor schon wieder geschlossen wurde. Man kann die Verzögerungen bei der Übergabe durchaus als Sinnbild für den diplomatischen Prozess zwischen den verfeindeten Staaten sehen: Pakistans Premier Khan will reden, der indische Premier Narendra Modi aber nicht. Er sei nicht in der Stimmung, berichtete der Indian Express mit Hinweis auf Delhis Position, dass Nachbar Pakistan erst einmal alle Terror-Organisationen beseitigen müsse.

Bitter aufgestoßen war den Indern auch, dass Pakistan Fotos und Videos des Piloten veröffentlichte. Eines der Bilder zeigt ihn angespannt und erschöpft vor einer Wand sitzend, eine Tasse Tee in der Hand. Indien kritisierte Aufnahmen des Gefangenen, die in sozialen Medien kursierten, als "vulgäre Zurschaustellung". Die Rhetorik Delhis blieb hart, man erwarte die umgehende und bedingungslose Rückkehr des Piloten, hieß es. Das Nachbarland erfülle damit lediglich seine Verpflichtungen aus den Genfer Konventionen - keine Anerkenntnis, dass Islamabad die Lage zu entspannen versuchte. Die indischen Streitkräfte erklärten gar, man werde "eine resolute, schnelle und starke Antwort" an Pakistan senden, sofern dies nötig sei. "Wir sind umfassend vorbereitet, um auf jegliche Provokation aus Pakistan zu reagieren", erklärte der indische General Surendra Singh Mahal. So gingen die internationalen diplomatischen Bemühungen weiter, die gefährliche Konfrontation zwischen den Atommächten zu entschärfen und eine Eskalation bis hin zu einem Krieg abzuwenden. US-Präsident Donald Trump hatte nach dem abgebrochenen US-Nordkorea-Gipfel erklärt, Washington habe versucht, beiden Seiten zu helfen, die Konfrontation zu stoppen. Er hoffe, die militärische Auseinandersetzung gehe bald zu Ende.

Das letzte Wort in Islamabad haben die mächtigen Generäle

Im pakistanischen Peschawar verbrennen derweil Islamisten Puppen von Indiens Premier Modi. (Foto: Abdul Majeed/AFP)

Diplomatische Vermittlung ist in der Region äußerst vertrackt, zumal Indien darauf pocht, alle Probleme mit dem Gegner Pakistan bilateral zu lösen. Ganz besonders galt dies immer für alle Fragen der strategisch wichtigen Bergregion Kaschmir. Delhi beansprucht sie in ihrer Gesamtheit als indisches Staatsgebiet, kontrolliert sie aber nur teilweise. Indien empört sich gewöhnlich über jeden Einmischungsversuch, allerdings hat es seinen starren Kurs nach dem Terroranschlägen vom 11. September gelockert. Es sucht nach Verbündeten im Kampf gegen den Terror, auch und gerade im Umgang mit Pakistan, wo sich islamistische Gruppen formieren, die behaupten, sie unterstützten einen "Freiheitskampf" in Kaschmir. Dort werden die indischen Sicherheitskräfte von vielen Einheimischen als Besatzungsmacht betrachtet, es gibt Bewegungen, die entweder einen Anschluss an Pakistan fordern oder die Unabhängigkeit für Kaschmir. Die jüngste Konfrontation zwischen Delhi und Islamabad war entbrannt, weil die in Pakistan ansässige Terrorgruppe Jaish-e-Mohamad bei einem Selbstmordanschlag auf einen Militärkonvoi am 14. Februar mindestens 40 indische Soldaten in Kaschmir getötet hatte.

Pakistans Premier Khan beklagte eine "Kriegshysterie", die in indischen Medien vor der umkämpften Parlamentswahl geschürt werde. Er versicherte, er wolle Deeskalation, betonte aber zugleich, dass sich Pakistan gezwungen sehen könnte, zurückzuschlagen, wenn Indiens Handlungen dies erforderten. So ließ er sich alle Optionen offen, wobei das letzte Wort in Pakistan ohnehin die mächtigen Generäle haben. Die Rückgabe des Piloten wollte Khan als einen "ersten Schritt zu Verhandlungen" verstanden wissen. Aus Indien aber gab es keine Signale, dass Delhi auch nur zu einem Telefonat mit Khan bereit sei.

© SZ vom 02.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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