Kanzlerin-Besuch in Tschechien:Prag will Stabilitäts-Forderungen erfüllen

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Nach der heftigen EU-Kritik der Tschechen bemühen sich Kanzlerin Merkel und der tschechische Ministerpräsident beim Staatsbesuch um Einvernehmen. Ministerpräsident Petr Nečas will auch ohne Ratifizierung des EU-Fiskalpakts dessen Vorgaben einhalten.

Beim Besuch von Angela Merkel beim tschechischen Ministerpräsidenten Petr Nečas haben beide betont leise Töne angeschlagen. Man will wohl hinter sich bringen, dass Tschechien sich zuvor als harter Gegner gesamteuropäischer Lösungen präsentierte.

Angela Merkel, Petr Nečas: Besuch der Kanzlerin in Prag. (Foto: dpa)

Zumindest öffentlich hielt sich die Bundeskanzlerin nun mit Kritik daran zurück - und warb für den europäischen Fiskalpakt, den die Tschechen nicht ratifizieren: "Auch wenn Tschechien den Fiskalpakt jetzt nicht unterzeichnet hat, wissen wir, dass sich die tschechische Regierung das offenhält", sagte Merkel am Dienstag nach einem Treffen mit Nečas in Prag. "Es gibt hier in keinerlei Weise Druck für uns als Deutschland (...) Das war kein kontroverses Thema unter uns." Wichtig sei, dass Tschechien den Stabilitäts- und Wachstumspakt extrem ernst nehme, sagte Merkel weiter: "Das ist ein wichtiger Gleichklang."

Nach den Worten von Ministerpräsident Nečas wird das Land auch ohne Unterschrift unter den EU-Fiskalpakt dessen Vorgaben einhalten. "Wir sind ein Schatten-Unterzeichner des Fiskalpakts, weil wir faktisch die Kriterien auch erfüllen", sagte Nečas nach dem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Tschechien habe ein starkes Interesse an einem stabilen Euro. "Wir sind überzeugt, dass nur eine Stärkung der Konkurrenzfähigkeit langfristig die Schuldenprobleme lösen kann", sagte Nečas.

Tschechien und Großbritannien haben den europäischen Fiskalpakt anders als die anderen 25 EU-Mitgliedsstaaten nicht unterzeichnet. Die Prager Drei-Parteien-Koalition konnte sich bisher nicht zu einem späten Ja zum Fiskalpakt zur Schuldenbegrenzung durchringen. Merkel stellte dies mit Blick auf Prag als unproblematisch dar, da dem Fiskalpakt nur jene Länder beitreten müssten, die den Euro als Währung haben. Mit der Krone hat Tschechien eine eigene Währung.

"Ich glaube, wir werden Schritt für Schritt Kompetenzen vergemeinschaften"

Die EU-Staaten müssen nach Ansicht der Bundeskanzlerin in den kommenden Jahren mehr Kompetenzen nach Brüssel abgeben. "Ich glaube, wir werden Schritt für Schritt Kompetenzen vergemeinschaften", sagte Merkel am Dienstag in einer Europa-Rede an der Karls-Universität in Prag. Als Zieldatum nannte sie die kommenden 20 bis 30 Jahre.

Die EU-Kommission werde so etwas wie eine europäische Regierung. Die Staats- und Regierungschefs würden dann wie eine zweite Kammer handeln, die über die Nationalstaaten wache. Zugleich wies Merkel in dem Nicht-Euro-Land Tschechien Sorgen vor einer Spaltung der EU zurück. "Wir werden uns nur da aufteilen, wo es absolut notwendig ist", sagte sie mit Blick auf die getrennten Euro- und EU-Gipfel. Separate Euro-Treffen habe es nur gegeben, wenn Rettungsschirme nötig gewesen seien.

Merkel hatte erstmals Anfang Februar eine grundlegende Änderung der Zusammenarbeit in der EU angemahnt. Sie widersprach auch Nečas, der in seiner Europa-Rede am Dienstag stärker für eine Abstimmung zwischen Regierungen plädierte. Diesen Weg bevorzugt auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Nečas sprach sich für eine EU der "variablen Geometrien" aus. Die EU-Staaten müssten ausgehend vom Binnenmarkt eine gemeinsame Basis haben. Darauf müssten freiwillige Integrationsschritte aufsetzen. Zugleich dürfe aber niemand eine weitergehende Integration anderer Partner verhindern. So müssten etwa die Euro-Länder viel enger zusammenarbeiten, betonte Nečas. Als Beispiel für das Vorgehen nur eines Kreises von Staaten nannte er neben der gemeinsamen Währung auch das europäische Patent und die Familienpolitik. Statt einer Harmonisierung müsse es in der EU künftig zunehmend um eine Koordinierung der Politik in den einzelnen Ländern geben.

Transparente Sicherheitsdiskussion zu Atomkraftwerk Temelin

Zum Thema Erweiterung des Atomkraftwerks Temelin versprach Nečas, Deutschland über die weitere Entwicklung detailliert zu informieren. "Wir wollen keine Geheimnisse vor dem deutschen Nachbarn haben", sagte der tschechische Ministerpräsident.

Angesichts der Proteste sowohl in Deutschland als auch Österreich gegen die geplante Erweiterung sagte auch Merkel: "Wir freuen uns, dass wir eine transparente Sicherheitsdiskussion haben. Ansonsten respektieren wir die jeweiligen politischen Entscheidungen unserer Länder." Sie dementierte, dass es Druck auf die Regierung in Prag gebe, das Atomkraftwerk nicht zu erweitern.

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