Wahlen in Kanada:Trudeaus Liberale erneut stärkste Kraft

Lesezeit: 2 min

  • Die Liberalen von Premier Justin Trudeau können bei der Parlamentswahl in Kanada eine Mehrheit der Sitze erreichen.
  • Für die absolute Mehrheit dürfte es laut Prognose aber nicht reichen.
  • Im Falle einer Minderheitsregierung brauchen die Liberalen die Duldung durch kleinere Parteien.
  • Die Partei von Trudeau steht im politischen System Kanadas links der Mitte.

Die Liberalen von Premierminister Justin Trudeau sind bei der Parlamentswahl in Kanada erneut stärkste Kraft geworden. Die Partei werde die meisten Stimmen bekommen, prognostizierte der öffentliche TV-Sender CBC am Montag. Für die absolute Mehrheit wie 2015 dürfte es aber nicht reichen. Beobachter gehen davon aus, dass die Liberalen eine Minderheitsregierung unter Duldung der sozialdemokratischen New Democrats bilden dürften.

Nach seinem Wahlsieg hat Trudeau die Einigkeit des Landes beschworen. "Unser Team wird für alle Kanadier kämpfen", sagte Trudeau am frühen Dienstagmorgen in Montréal. An seine Kritiker gewandt meinte der 47-Jährige, er habe ihre Enttäuschung vernommen und werde sicherstellen, dass ihre Stimme gehört werde: "Wir werden zusammen vorwärtsgehen in eine bessere Zukunft." Die liberale Regierung werde fortsetzen, was sie in den vergangenen vier Jahren begonnen habe. Dazu gehörten die Kämpfe gegen den Klimawandel und Waffengewalt.

MeinungBlackfacing
:Die Empörung über Trudeau ist unverhältnismäßig

Leider trifft der totale Anspruch an eine makellose Lebensführung gerade nicht die Trumps und Orbáns, die Putins und Johnsons.

Kommentar von Sonja Zekri

Vor der Wahl hatte sich ein knappes Rennen zwischen Trudeau und seinem konservativem Herausforderer Andrew Scheer abgezeichnet. Etwa 27 Millionen Bürger waren dazu aufgerufen, neue Abgeordnete zu wählen. 2015 hatten Trudeaus Liberale 184 Sitze im Parlament gewonnen und seitdem mit dieser absoluten Mehrheit regiert.

Die Liberalen von Trudeau machen eine sozialdemokratische Politik, sie stehen links der Mitte. Die Bilanz der liberalen Regierung nach vier Jahren ist durchwachsen. Zwar hat Trudeau wie versprochen Cannabis legalisiert und mehr als 25 000 syrische Flüchtlinge im Land aufgenommen. Einige seiner Wahlversprechen wie eine Wahlrechtsreform oder einen ausgeglichenen Haushalt bis 2019 konnte er aber nicht halten.

In den vergangenen Monaten hatte Trudeau zudem mit Skandalen für Aufsehen gesorgt. Zunächst wurde bekannt, dass er Ermittlungen gegen das kanadische Unternehmen SNC-Lavalin wegen Bestechung in Libyen unterdrücken wollte - eine Ethik-Kommission bescheinigte ihm falsches Verhalten. Im September dann tauchte ein 20 Jahre altes Bild auf, das ihn mit dunkel geschminktem Gesicht - verkleidet als Aladdin - auf einer Party zeigte. Der Ministerpräsident entschuldigte sich daraufhin für sein "rassistisches Verhalten".

Wohl angesichts Trudeaus prekärer Lage schaltete sich Barack Obama mit einer für einen US-Ex-Präsidenten ungewöhnlichen Aktion in den Wahlkampf beim nördlichen Nachbarn ein: Die Kanadier sollten Trudeau wiederwählen, da die Welt jetzt seinen progressiven Führungsstil brauche, warb Obama.

Auf den Spuren des Vaters

Trudeau profitierte gerade zu Beginn seiner ersten Amtszeit vom Ruf seines verstorbenen Vaters. Pierre Trudeau war 1968 zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Vier Jahre später sah es auch für ihn zunächst knapp aus, doch am Ende stand er fast 16 Jahre an der Spitze der kanadischen Regierung. Und wie kaum ein anderer stand Pierre Trudeau bis heute für die liberale Ausrichtung des Landes, nicht zuletzt in der Einwanderungspolitik.

Als der Sohn 2015 die Macht übernahm, lenkte er Kanada in vielen Bereichen wieder zurück in die einst vom Vater eingeschlagene Richtung. Gerade in der Trump-Ära gilt Trudeau vielen Linken und Liberalen in der Welt als Verfechter von Multikulturalismus und Migration.

© SZ.de/dpa/AP/lalse - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKanada vor der Wahl
:Seht, ein Mensch

Es war eine stürmische Liebe zwischen den Kanadiern und ihrem Premier Justin Trudeau. Was sie ihm jetzt vor der Wahl aber schwer verzeihen: Auch er hat Fehler.

Von Christian Zaschke

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: