Corona-Proteste in Kanada:Trudeau setzt Notstandsgesetz in Kraft

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Der kanadische Premierminister Justin Trudeau hat erstmals ein 1988 verabschiedetes Notstandsgesetz aktiviert. (Foto: Adrian Wyld/AP)

Das bisher nie angewandte Gesetz gibt dem kanadischen Premier kurzzeitig die Macht, Bürgerrechte außer Kraft zu setzen, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Er reagiert damit auf die seit Wochen anhaltenden Trucker-Proteste im Land.

Angesichts der seit Wochen aufgeheizten Trucker-Proteste in Kanada gegen die Corona-Politik der Regierung hat Premierminister Justin Trudeau in einem historischen Schritt erstmals ein Notstandsgesetz zum Einsatz gebracht. Das gab Trudeau am Montag in Ottawa bekannt. Das 1988 verabschiedete, aber noch nie angewandte Gesetz gibt dem Premierminister kurzzeitig die Macht, Bürgerrechte zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung außer Kraft zu setzen.

Trudeau war am Wochenende mit seinem Krisenteam zusammengekommen. "Wir werden weiter sicherstellen, dass die zuständigen Behörden auf Stadt-, Provinz- und Landesebene das haben, was sie brauchen, um diese Blockaden zu beenden und die Sicherheit der Bevölkerung zu schützen", teilte er mit. Bereits zuvor hatte Trudeau die gewaltsame Auflösung von Blockaden nicht ausgeschlossen und diese illegal genannt. Mit Ontario hat eine der betroffenen Provinzen bereits einen Notstand ausgerufen.

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Seit etwa drei Wochen demonstrieren in Kanada Tausende Menschen gegen Corona-Maßnahmen und Impfvorschriften. Mit Lastwagen und anderen Fahrzeugen blockieren sie auch Teile der Innenstadt Ottawas. Gegenstand der Proteste waren zunächst Impfvorschriften für Lastwagenfahrer und danach die staatlichen Pandemiebeschränkungen insgesamt. Im Januar trat eine Verordnung in Kraft, wonach auch Lastwagenfahrer, die aus den USA zurückkehren, einen Impfnachweis vorlegen müssen.

Am Wochenende hatten Einsatzkräfte ein Zentrum der Proteste geräumt: Nach fast einwöchiger Blockade floss der Verkehr auf einer wichtigen Grenzbrücke zwischen der Stadt Windsor in der kanadischen Provinz Ontario und Detroit im US-Bundesstaat Michigan wieder. Nach einer einstweiligen Verfügung eines kanadischen Gerichts hatten die Behörden damit begonnen, die Proteste in der Gegend aufzulösen. Die Regierungen auf beiden Seiten der Grenze hatten zuvor vor den wirtschaftlichen Folgen der Blockade gewarnt.

Die Trucker-Blockaden haben ganze Wirtschaftszweige lahmgelegt

Nach Angaben der Polizei von Windsor wurden am Wochenende mehr als zwei Dutzend Menschen festgenommen sowie ein Dutzend Fahrzeuge beschlagnahmt oder abgeschleppt. Die Blockade der Ambassador Bridge sowie weiterer Grenzübergänge führte nach Trudeaus Worten zum Stopp der Autoproduktion von sechs Herstellern wegen fehlender Teile. Über die Brücke fließen 25 Prozent des kanadisch-amerikanischen Güterverkehrs - das entspricht pro Tag einem Warenwert von umgerechnet 275 Millionen Euro. Die Region ist wirtschaftlich über die Grenze hinaus eng verwoben.

Andernorts gingen die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen der kanadischen Regierung weiter. Nach Behördenangaben blieb am frühen Montagmorgen noch mindestens ein weiterer Grenzübergang zwischen Coutts in der kanadischen Provinz Alberta und Sweet Grass im US-Bundesstaat Montana geschlossen. Auch in Ottawa harrten Trucker trotz eisiger Kälte weiter aus. Dort habe es am Wochenende ebenfalls zahlreiche Festnahmen gegeben, teilte die Polizei mit. Die Demonstranten hätten teils "aggressives Verhalten" gezeigt und Polizisten "überwältigt".

Weite Teile der Bevölkerung hatten Trudeaus teilweise sehr strikten Anti-Covid-Kurs in den vergangenen zwei Jahren mitgetragen. In jüngsten Studien zeichnet sich allerdings eine mögliche Wende ab, auch wenn das Bild noch nicht eindeutig ist. Auch einige Anhänger des 50-Jährigen nahmen Maßnahmen wie neue Reiseeinschränkungen und die von lokalen Regierungen verordnete Schließung der Innenräume von Bars und Restaurants als übertrieben wahr; sie waren mit der grassierenden Omikron-Variante des Coronavirus begründet worden.

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