"Stille Stadt", so nannten die Gegner des Regimes Aleppo. Das war verächtlich gemeint. Still zu sein, das setzten die Rebellen gleich mit Verrat am syrischen Volk. Tatsächlich war in der Stadt im Norden Syriens, an der Grenze zur Türkei, lange kaum etwas zu spüren von den blutigen Kämpfen, die weite Teile des Landes ergriffen hatten.
Ein Rettungsteam untersucht den Ort eines Raketeneinschlages in Aleppo. Dieses Bild hat die staatliche Nachrichtenagentur SANA zur Verfügung gestellt.
(Foto: AFP)Die Armee hatte die großen Einfallstraßen um die Metropole herum gesichert, die Menschen gingen im Inneren weiter ihren Geschäften nach. Die meisten Bewohner, vor allem aus der Mittel- und Oberschicht, hielten sich weitgehend aus dem Konflikt heraus, viele waren auf der Seite Assads, sahen ihn als Garant für Stabilität, als Garant dafür, dass in der Wirtschaftsmetropole weiterhin Geld verdient werden konnte.
Jetzt ist Lärm über Aleppo gekommen. Er ist bis in die sonst so belebten Straßen der zum UN-Weltkulturerbe zählenden Altstadt eingedrungen, hat sich durch die dicken Mauern gefressen, ist im Herzen angelangt, in dem prächtigen Bazar, berühmt für den Pfeffer und die Seife, die man dort erstehen kann.
Die Menschen hier flüchteten am vergangenen Wochenende in ihre Häuser, nur noch wenige wagten sich auf die Straßen, Polizei ist seither kaum mehr zu sehen. Von weit her war das Maschinengewehrfeuer zu hören, immer näher kam es. Und über der Stadt kreisten die Hubschrauber Assads. Das blutige Finale in Syrien hat begonnen, auch in Aleppo. Der Stadt steht das Schlimmste wohl erst noch bevor.
Die Altstadt von Aleppo ist ein über Jahrhunderte gewachsenes Labyrinth, wurde trotz der Abwanderung vieler Menschen, trotz Verarmung und zunehmender Vernachlässigung bereits im Jahr 1986 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. In osmanischer Zeit war die Stadt eine bedeutende Handelsmetropole, Knotenpunkt der Karawanenstraßen, die Europa mit Asien verband. Zwischen der Zitadelle und der großen Moschee erstreckt sich auf 350 Hektar der Souk: ein Marktlabyrint. Überdachte Gassen, Hunderte kleine Geschäfte, die jetzt dem Bürgerkrieg zum Opfer fallen könnten.
Das befürchtet auch Anette Gangler. Sie ist Vorsitzende des Vereins der Freunde der Altstadt von Aleppo und war kurz vor Ausbruch der Unruhen zum letzten Mal in dort. Ihr Verein war es, der das Zentrum für Internationale Zusammenarbeit (GIZ/ehemals GTZ) für das Projekt "Sanierung und Entwicklung der Altstadt von Aleppo" gewonnen hat.
"Aleppo ist eine der ältesten, durchgehend bewohnten Städte der Welt: Seit 5000 Jahren siedeln hier Menschen". Wenn die Stadtplanerin erzählt, spürt man die Faszination und die Sorge um die Stadt. "Man findet dort altorientalische, frühchristliche, islamische Spuren. Das ist die Wiege unserer europäischen Kultur! Die wollten wir erhalten. "
Zwischen 1993 bis 2007 erhielt das GIZ zehn Millionen Euro aus Mitteln des deutsch-syrischen Schuldenerlassabkommens. Damit wurde die Infrastruktur modernisiert, Häuser renoviert. Viele Bewohner, die die Altstadt eigentlich verlassen wollten, konnten dadurch zum Bleiben bewegt werden. "Wir haben viel erreicht", sagt Gangler. Doch die sichtbaren Erfolge, sie könnten bald zunichte gemacht werden - von Raketen und Panzern.